: Entspannte Studis kommen Unis teuer zu stehen
BILDUNG Nach einjährigen Verhandlungen zwischen Senat und Unis sind die Hochschulverträge unter Dach und Fach. Ein pikantes Detail: Den Universitäten steht mehr Geld zur Verfügung, wenn sie Studierende zum Turbo-Studium anhalten. Das stößt auf Kritik
■ Mit Landesmitteln in Höhe von rund fünf Milliarden Euro haben Universitäten, Hochschulen und die Charité Planungssicherheit bis zum Jahr 2017. Vergangene Woche Freitag unterzeichneten Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD), Uni-Präsidenten, Rektoren und Charité-Vorstand die neuen Hochschulverträge und den Charité-Vertrag. Die verhandelten Summen standen bereits fest, im Dezember 2013 hatte sie das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen.
■ Im Wintersemester 2012/2013 studierten rund 160.000 Hochschüler in Berlin – die höchste Zahl seit der Wiedervereinigung, so das Studentenwerk. Berlin bietet derzeit 6.000 Studienanfängerplätze mehr an als 2008. (dpa)
VON MAX KRAUSE UND LIOR SHECHORI
Aufmerksame Erstsemester strömen in die Einführungsveranstaltung der Politikwissenschaften. Sie wollen alles Wichtige über die Uni erfahren: Wie kann man sich für Kurse anmelden? Wo ist die Mensa? Der Dekan liefert – stellvertretend für die Universität – erst einmal eine andere Botschaft: Wir erwarten von Ihnen, dass Sie Ihren Bachelor in sechs Semestern schaffen. Höchstens in sieben.
Denn wer in der Regelstudienzeit studiert, bringt den Universitäten Geld ein. Pro eingeschriebenem Student zahlt das Land Berlin eine Kopfpauschale von mehreren tausend Euro. Das Geld gibt es aber nur für Studierende, die die vorgesehene Semesterzahl noch nicht überschritten haben. So steht es in den neuen Berliner Hochschulverträgen für die kommenden vier Jahre, die vergangene Woche unterzeichnet wurden. Kein Wunder also, dass die Uni ein schnelles Studium forciert.
Hochschulverträge gibt es in Berlin seit 1997. Zuvor bestimmte das Berliner Abgeordnetenhaus allein über die Zuwendungen an die Hochschulen. Als diesen immer mehr Selbstbestimmung eingeräumt wurde, sollten sie schließlich auch bei ihrer Finanzierung mitreden dürfen. Seitdem verhandeln die Berliner Hochschulleitungen alle vier Jahre mit dem Senat darüber, wie viel Geld in ihre Kassen fließt und wofür es eingesetzt werden soll. Gleichzeitig verpflichten sich die Unis, bestimmte Auflagen zu erfüllen.
„Ausdruck von Verachtung gegenüber der Wissenschaft“, nennt Lucas Feicht die Verträge. Der Asta-Referent der Freien Universität (FU) kritisiert das Ergebnis der mehr als einjährigen Verhandlungen scharf. FU-Präsident Peter-André Alt habe die Interessen der Uni nicht entschieden genug vertreten. Alt selbst wehrt sich gegen diesen Vorwurf: Der jetzige Vertragstext sei „das beste Ergebnis, das überhaupt möglich war“.
Tatsächlich sieht die Lage für die FU auf den ersten Blick nicht so schlecht aus: Die Mittel steigen. Im Jahr 2014 gibt es 3,4 Prozent, bis 2017 sogar 11,5 Prozent mehr Geld vom Senat als noch 2013. Die Zuwendungen wachsen in diesem Zeitraum um knapp 30 Millionen Euro an. Ähnlich verbessert sich auch die Lage der anderen Berliner Hochschulen. „Ich bin mit den Verträgen sehr zufrieden“, sagt daher SPD-Frau Sandra Scheeres, die als Berliner Wissenschaftssenatorin die Verhandlungen geleitet hat. Im Rahmen des klammen Landeshaushaltes seien die Zuwächse ein großer Erfolg.
Doch das zusätzliche Geld ist auch dringend nötig: Die Energiekosten steigen und neue Tarifverträge im öffentlichen Dienst zwingen die Unis, mehr Geld für Personalkosten aufzuwenden. Das neue Geld wird höchstens reichen, um anfallende Mehrkosten zu decken.
Anja Schillhaneck glaubt, dass nicht einmal dafür genug Geld da sei. Als wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat sie sich ausgiebig mit dem Vertragstext und der Lage an den Universitäten auseinandergesetzt. Knapp 150 Millionen Euro zusätzlich bräuchten die Berliner Hochschulen in den nächsten Jahren, um auch nur den Status quo zu halten, haben ihre Berechnungen ergeben. Bekommen werden sie lediglich 122 Millionen. „Das wird sicherlich strukturelle Auswirkungen haben“, sagt Schillhaneck. Es sei zu erwarten, dass die Unileitungen die Lasten auf die Studierenden abwälzen werden, statt bei der Forschung zu sparen.
FU-Präsident Alt möchte die Ängste vor einem Finanzierungsengpass und Kürzungen ausräumen. Die Gelder reichten aus, um die „Kernaufgaben“ der FU auf dem gleich bleibenden Niveau zu sichern. Jörg Steinbach, noch bis März der Präsident der Technischen Universität (TU), vertrat im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses dagegen die Ansicht, das zusätzliche Geld könne das Niveau der TU nicht sichern.
Asta-Referent Feicht bezweifelt, dass es an der FU anders aussieht: „Alt weiß ganz genau, dass das Geld nicht ausreicht, um den Status Quo zu halten.“ Dazu komme noch, dass durch die Verträge falsche Anreize für die Unileitung geschaffen würden: Sie ermuntern die Unis, mehr Studierende in Regelstudienzeit durchs Studium zu schleusen.
Die Freie Universität erhält keinen Festbetrag vom Land Berlin. Stattdessen hängt der Geldfluss davon ab, wie gut sich die Uni schlägt. 1,27 Milliarden Euro könnte die FU in den nächsten vier Jahren maximal bekommen. Davon sind ihr aber lediglich 35,4 Prozent sicher. Den Rest bekommt sie nur, wenn sie auch ihre Hausaufgaben macht. Die Faktoren, nach denen der Erfolg der Universitäten bemessen wird, umfassen unter anderem die Menge eingeworbener Drittmittel, den Fortschritt bei der Gleichstellung der Geschlechter sowie die Anzahl an Absolventen.
ASTA-REFERENT LUCAS FEICHT
Die mit Abstand wichtigste Bedingung ist aber ein umstrittener Posten: die Anzahl an Studierenden in Regelstudienzeit. Davon hängt fast ein Drittel der insgesamt verfügbaren Mittel ab. Feicht hält es für „völlig falsch“, die Regelstudienzeit als Kriterium heranzuziehen. Auch Grünen-Politikerin Schillhaneck wendet sich deutlich gegen diesen Maßstab: Die Regelstudienzeit sei ursprünglich als Mindeststudiendauer gedacht gewesen. Einer „Perversion der Logik“ komme es gleich, sie nun zur Obergrenze zu erheben.
Senatorin Scheeres glaubt dagegen nicht, dass der Druck auf Studierende durch die Regelung steigen wird. Sie setzt darauf, dass die Hochschulen es möglich machen, alle Studiengänge in Regelzeit zu studieren. Doch verstehen die Hochschulleitungen so die Verträge? Alt hält die Regelstudienzeit für „einen der geeignetsten Indikatoren“, um Erfolg in der Lehre zu messen – weil er gut von der Hochschule zu steuern sei. Wie diese Steuerung aussehen kann, lässt er offen. Nach einer breit angelegten Offensive zur Verbesserung der Studierbarkeit klingt das jedenfalls nicht.
Vier Jahre lang gelten die neuen Verträge. Doch Kritiker glauben, dass es an der Zeit ist, die Hochschulfinanzierung grundsätzlich zu überdenken. Dass es jetzt überhaupt noch Zuwächse gebe, sei lediglich der Tatsache geschuldet, dass Berlin viele Bundesmittel für die Unis erhält, sagt Schillhaneck. Lange könne das nicht mehr gut gehen. „Es ist Zeit, einen dicken Strich darunter zu ziehen.“
Doch es geht den Kritikern nicht nur um Geld, sondern auch um den Prozess. „Der Begriff Verträge suggeriert, dass sich hier zwei gleichberechtigte Verhandlungspartner geeinigt haben“, sagt Asta-Referent Lucas Feicht. „Das ist aber nicht der Fall: Der Berliner Senat sitzt immer am längeren Hebel. Er kann der Uni notfalls einfach den Geldhahn zudrehen.“
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