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„Nicht unsere Kultur“

Polen erwartet eine Reaktion der Bundesregierung auf den taz-Artikel. SPD-Außenpolitiker Meckel weist diese Forderung zurück

taz: Herr Meckel, wieso hat der taz-Artikel zu solch heftigen Reaktionen in Warschau geführt?

Markus Meckel: Das Phänomen, dass in beiden Ländern vor allem auf Zeitungsartikel, aber weniger auf die Politik reagiert wird, haben wir schon länger. Bei dem Zentrum für Vertreibungen war das genauso. Da wurden auch immer Teile der deutschen Öffentlichkeit für wichtiger genommen als das, was die Verfassungsorgane gesagt haben. Die Geschichte mit dem taz-Artikel geht in dieselbe Richtung. Man ist sehr sensibel, dabei gleichzeitig aber nicht gelassen und souverän genug.

Warum fehlt diese Gelassenheit?

Einige Äußerungen der Deutschen in der Vergangenheit haben den Nerv des polnischen Selbstbewusstseins getroffen. Jetzt ist Polen in der Situation, dass es sich mit einer neuen Regierung neu orientieren muss. Diese neue Regierung war außenpolitisch unerfahren und gegenüber Deutschland und Europa recht kritisch eingestellt. Jetzt merkt sie aber, dass man in Europa Partner braucht. Das Ganze ist ein schwieriger Prozess, auch innerhalb Polens.

Glauben Sie, dass derartige Vorfälle die deutsch-polnische Zusammenarbeit erschweren?

Das ist in meinen Augen doch mehr ein Sturm im Wasserglas. Man sollte daher von uns nicht erwarten, dass wir die polnischen Reaktionen zu ernst nehmen. Wir sollten lieber überlegen, was die gemeinsamen Interessen zwischen Deutschland und Polen sind, und versuchen, diese wahrzunehmen.

Die deutsche Regierung sieht keinen Handlungsbedarf. Halten Sie das für richtig?

Ja. Es ist nicht angemessen, auf jeden Zeitungsartikel, noch dazu in einem Satireteil, zu reagieren. Das ist Teil der europäischen Pressefreiheit. Das kann man gut finden, appetitlich oder auch nicht. Wir haben in der Vergangenheit ja auch nicht auf Presseartikel in Polen reagiert, die das Maß des Angemessenen überschritten. Es entspricht nicht unserer Kultur, dass Politiker oder Regierungen sich über Presseartikel unterhalten. Das wäre eine ungute Entwicklung und die würde ich nur ungern mitmachen wollen. INTERVIEW: BARBARA OERTEL

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