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Alle wollen impfen, aber der Stoff fehlt

Anstatt zehntausende Tiere zu töten, wäre eine flächendeckende Vorsorge gegen Vogelgrippe der bessere Weg. Allerdings steht der notwendige Impfstoff erst in etwa fünf Jahren zur Verfügung. Anhörung im Agrarausschuss des Bundestages

In Holland wird geimpft. Aber nur mit herkömmlichen Mitteln

VON DANIEL BÖHM

Egal ob Parteien, Verbände oder Experten: Alle würden Geflügel im Krisenfall gegen die Vogelgrippe impfen. Leider aber fehlt der passende Impfstoff. Darum ging es gestern vor dem Agrarausschuss des Bundestags. Die Virusexperten des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) informierten die Abgeordneten über den neuesten Stand der Forschung. Erst in ungefähr fünf Jahren, so die Prognose des FLI, wird ein brauchbarer Impfstoff zur Verfügung stehen.

An der Notwendigkeit einer langfristigen Impfstrategie zweifelt derzeit niemand. „Wir favorisieren die Impfungen – auch um Massentötungen zu verhindern“, sagte CDU-Landwirtschaftsexpertin Julia Klöckner. Ihr Kollege von der SPD, Wilhelm Priesmeier, sieht das ähnlich: „Zumindest für Freiland- und Hobbygeflügelhaltung brauchen wir unbedingt eine Impfstrategie“, erklärte er gegenüber der taz.

Auch die Verbände sprechen sich mehrheitlich für eine solche Maßnahme aus. Der Deutsche Tierschutzbund (DTB) klagt, dass die Impfung gegen die Geflügelpest in der EU nach wie vor verboten ist. „Durch dieses Verbot, das der EU-Strategie ‚Töten statt Impfen‘ entspricht, wurde die Entwicklung von Impfstoffen verschlafen“, sagt Steffen Seckler vom DTB. Trotzdem fordern die Tierschützer den sofortigen Einsatz von Impfstoffen im Seuchenfall. „Auch um Massentötungen zu vermeiden“, ergänzt Seckler. Der Deutsche Bauernverband argumentiert ähnlich. „Seit 2002 gilt bei uns die Losung Impfen statt Töten“, sagt deren Sprecher Michael Lohse. Das Vogelgrippevirus kommt die Bauern teuer zu stehen: Neben dem gesunkenen Vertrauen der Kunden sind es vor allem Sofortmaßnahmen wie Massentötungen oder die ausgedehnte Stallpflicht, die den Geflügelhaltern Sorgen bereiten. „Wir brauchen einen Impfstoff, der dann auch weltweit genehmigt werden sollte“, forderte Lohse.

Im Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems wird derzeit an zwei solchen Markerimpfstoffen gearbeitet. Dank der Markerimpfstoffe lassen sich geimpfte Tiere von den infizierten unterscheiden. „Um gegen die Krankheit immun zu werden, trägt ein geimpftes Tier stets eine veränderte Version des Virus in sich. Der muss dann vom gefährlichen Feldvirus leicht zu unterscheiden sein“, sagt Elke Reinking vom FLI. Mit den bisherigen Stoffen sei dies aber kaum möglich.

Zwar wird in Holland bereits Geflügel geimpft – allerdings nur auf freiwilliger Basis und mit den herkömmlichen Mitteln. „Die Trennung zwischen geimpften und kranken Vögeln ist dort sehr aufwendig“, erklärt Reinking. Das mache die Anwendung für größere Betriebe äußerst schwierig. Die Impfungen beschränken sich auf Zootiere und die kleineren Bestände von Hobbyhaltern.

Später soll mit neuen Stoffen alles einfacher werden. In welchem Umfang die Substanz dann eingesetzt werden könnte, sei aber noch nicht klar, heißt es beim Loeffler-Institut. „Das muss alles erst noch diskutiert werden“, so FLI-Mitarbeiterin Reinking.

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