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Reiche beklagen sich

Wohlhabende Städte in NRW ziehen gegen das Gemeindegesetz vor Gericht: Sie fürchten höheren Solidarbeitrag. Städteplaner: Ausgleich zwischen armen und reichen Kommunen ist existenziell

von ANNIKA JOERES

Reiche NRW-Kommunen wollen ihre Gewerbesteuer nicht mit den armen Städten teilen: Sie kündigten gestern an, gegen das neue Gemeindefinanzierungsgesetz eine Verfassungsbeschwerde einzulegen. Ihre Klage wurde umgehend kritisiert: „Das ist unsolidarisch gegenüber den finanzschwachen Gemeinden“, sagte NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP). Auch Finanzminister Helmut Linssen (CDU) sprach von einem Affront, der einen Keil zwischen die Kommunen treibe.

Die Kläger wehren sich dagegen, dass der Solidarbeitrag der Kommunen zur Deutschen Einheit nur noch auf Grundlage der Gewerbesteuereinnahmen berechnet werden soll. Dies belaste die 19 Kommunen allein in diesem Jahr mit 152,8 Millionen Euro zusätzlich. Gewerbesteuerstarke Kommunen würden einseitig benachteiligt, das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung verletzt. „Wer gut wirtschaftet, wird bestraft“, sagte Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU). Der Chef der reichen Landeshauptstadt will seine Klage in den kommenden zwei Wochen beim Verfassungsgerichtshof des Landes in Münster einreichen. Beteiligt sind unter anderen auch die Städte Bonn, Ennepetal, Münster, Neuss, Ratingen und Köln.

Städtebau-Experten hingegen wollen an dem solidarischen Ausgleich unbedingt fest halten. „Ohne dieses System hätten wir große Probleme“, sagt Hans Blotevogel von der Dortmunder Universität. Die Schweiz zeige, wie finanzschwache Städte den Bach herunter gingen, wenn sie nicht von wohlhabenden alimentiert würden. „Ärmere Städte mit wenig Gewerbe haben schlechtere Schulen und marode Straßen,“ sagt er. Dabei hätten die BürgerInnen ein Anrecht auf gleiche Lebensverhältnisse, egal ob sie in Castrop-Rauxel oder Münster lebten.Die Gewerbesteuer steht stets im Mittelpunkt der Verteilungskämpfe zwischen Bund, Land und Kommunen. Sie ist neben der Grundsteuer die einzige, deren Höhe die Kommunen selbst bestimmen können. So können es sich wohlhabende Städte leisten, den Investoren weniger abzuknöpfen als beispielsweise Kommunen im Ruhrgebiet. Düsseldorf etwa gehört zu den landesweit nur vier Kommunen, die 2005 die Gewerbesteuer gesenkt haben. Trotzdem sprudelt diese Einnahme in der Landeshauptstadt: Hatte sie 2002 noch 477 Millionen Euro an ihr verdient, waren es 2004 schon 701 Millionen Euro.

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