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Pro Deutschland will nach Berlin

RECHTSEXTREMISMUS Die islamfeindliche Bewegung verlegt ihren Bundessitz und will bei den Abgeordnetenhauswahlen 2011 antreten. 1.000 Menschen demonstrieren gegen Parteitag

„In Berlin wollen wir die erste Fraktion auf Landesebene stellen“

MANFRED ROUHS, PRO DEUTSCHLAND

VON SEBASTIAN PUSCHNER UND ANDREAS SPEIT

Proteste, Blockadeversuche und ein buntes Kulturprogramm haben den Bundesparteitag der islamfeindlichen Bewegung Pro Deutschland am Samstag in Berlin begleitet. Rund 1.000 Menschen demonstrierten dagegen, dass die Rechtsextremen im geschichtsträchtigen Rathaus Schöneberg tagen durften. Dies hatten sie vor Gericht durchgesetzt, nachdem der Bezirk Tempelhof-Schöneberg versucht hatte, Pro Deutschland Zugang zu seinen Räumen zu verweigern.

„Wir müssen verhindern, dass solch weichgespülten Rechtsextremen öffentliche Räume überlassen werden und sie dort ihre menschenverachtenden Inhalte verbreiten“, sagte Koray Yilmaz-Günay vom Verein Gladt, einer Organisation von türkeistämmigen Lesben, Schwulen und Transsexuellen, die zu den Initiatoren des Protestes zählte. Verhindern konnte das Bündnis aus antifaschistischen Initiativen, Parteien, Gewerkschaften und zahlreichen Einzelpersonen den Pro-Deutschland-Parteitag nicht. Die Polizei setzte unvermittelt Pfefferspray, Tritte, Gesicht- und Nackenschläge ein, um Blockadeversuche frühzeitig zu unterbinden. Sieben Demonstranten nahm sie fest, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Im Rathaus Schöneberg begann das Treffen der rund 80 Delegierten mit mehrstündiger Verspätung. Sie fassten den Beschluss, den Bundessitz der Partei von Köln nach Berlin zu verlegen. „Die Berliner Wahl 2011 wird uns bundesweit einen großen Schub geben, hier wollen wir die erste Fraktion auf Landesebene stellen“, begründete der Pro-Deutschland-Bundesvorsitzende, Manfred Rouhs, den Wechsel in die Hauptstadt.

Ihre Keimzelle hat die Bewegung in Köln, wo sie in der Vergangenheit als „Pro Köln“ großflächig Stimmung gegen einen Moscheebau, Überfremdung und Ausländerkriminalität machte. Die Beziehungen zwischen dem Bundesverband und dem wichtigen Landesverband Pro-NRW sind allerdings angespannt. Das Verhältnis zwischen Markus Beisicht, dem Chef von Pro-Köln, und Manfred Rouhs ist nicht das beste, obwohl beide seit langem zusammenarbeiten. „Die beiden Herren können einfach nicht miteinander“, sagt Hans-Peter Killguss, Leiter der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus Köln. Er betont jedoch gleichzeitig: „Zwischen den Pro-Initiativen besteht kein politischer Dissens.“

Vor dem Parteitag betonte Rouhs, „für eine Zusammenarbeit“ mit „rechtsdemokratischen Kräften“ offen zu sein. Ein Angebot, dass bei den „Republikanern“ sehr umstritten ist – auch wenn die 6.500 Mitglieder starke Partei selbst keine Wahlerfolge vorweisen kann. Beim Parteitag in Berlin mit etwa 80 Anwesenden dankte Gastredner Bart Debie von der belgischen Rechtsaußenpartei Vlaams Belang den Polizisten vor Ort: „Sie haben es nicht leicht unter dem Befehl eines schwulen Bürgermeisters und mit diesem Pack von Sozialisten und Anarchisten dort draußen.“

Für dieses „Pack“ war der Samstag erst der Auftakt des Widerstands. „Wir werden uns diesen Rassisten weiterhin entgegenstellen, um ihnen den Weg in öffentliche Räume und Parlamente zu versperren“, sagte der Sprecher des Protestbündnisses, Dirk Stegemann.

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