TARIK AMIHA ÜBER DAS PROKON-DESASTER: Die Gier der Guten
Ein fein gekleideter Herr spricht Sie in der U-Bahn an und möchte sich Geld leihen. Er will damit irgendwie in erneuerbare Energien investieren. Mitentscheiden dürfen Sie zwar nicht; für den Fall aber, dass das Geschäft gut läuft, verspricht er Ihnen eine fürstliche Entlohnung. Sollte etwas schiefgehen, könnte Ihr Geld allerdings futsch sein. Würden Sie das Portemonnaie aufmachen?
Der Vergleich beschreibt im Kern das Geschäftsmodell des Windparkfinanziers Prokon. Mehr als 75.000 Anleger haben der Vision vom leichten Geldmachen mit einer guten Sache vertraut: Ökologisch investieren, in Sachwerte, ohne Banken. Das klingt gut. Doch in der Realität entwickelte sich Prokon zu einem Geldverschiebebahnhof mit „Traumrenditen“, die eben Träume blieben. Da hilft es auch nicht, wenn sich einige den Konzern nun als eine Art Bürgerinitiative auf Mission zur Weltverbesserung schönreden.
Gewarnt wurde vor Prokons gefährlichen Papieren überall, zuerst 2010 in der taz. Tausende Anleger glaubten lieber den schönen Erzählungen des Firmengründers Carsten Rodbertus. Nun muss der Prokon-Chef offenbaren, worüber bislang nur spekuliert werden konnte: Was ist mit den 1,4 Milliarden Euro der Anleger geschehen? Wie viel Geld wurde verbrannt, wie viel produktiv investiert?
Vor vier Jahren war die Warnung vor Prokons Genussrechten noch mit der Forderung verbunden, den weitgehend unkontrollierten Markt für dubiose Anlageprodukte stärker zu regulieren. Geschehen ist bei der Aufsicht seitdem fast nichts. Dennoch: Selbst die beste Regulierung hilft nicht, wenn Anleger Risiken systematisch ausblenden. Die nächsten Monate werden zeigen, wie hoch ihr Lehrgeld sein wird. Bei der nächsten Märchenstunde schalten hoffentlich mehr Leute rechtzeitig ihr Hirn ein.
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