: Strahlender Rohstoff mit dunkler Herkunft
ATOMKRAFT Deutsche Reaktoren verbrauchen jährlich rund 4.300 Tonnen Uran. Doch woher stammt es?
BERLIN taz | Die Herkunft des in Deutschland angereicherten oder in Atomkraftwerken verwendeten Urans ist unklar. Das bemängelt die Vereinigung Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) in einer aktuellen Studie. Zwar veröffentlicht die Bundesregierung jährlich, aus welchen Ländern die deutschen Anreicherungsanlagen oder Atomkraftbetreiber ihren Rohstoff beziehen, anhand des Datenmaterials seien jedoch lediglich „die Lieferländer nachzuvollziehen, nicht aber die Ursprungsländer“, schreibt der Autor der Studie, Benjamin Paaßen.
Das Argument der Befürworter der Atomenergie, Uran stamme vor allem aus politisch stabilen Staaten, sei somit nicht haltbar, schlussfolgert der IPPNW: Die Versorgung Deutschlands mit Uran sei als mindestens ebenso unsicher und abhängig von internationalen Partnern außerhalb der OECD, wie das schon bei anderen, konventionellen, fossilen Energieträgern der Fall sei.
So lieferte etwa Frankreich laut Angaben des vom Bundesumweltministerium veröffentlichten Berichts „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung – 2007“ rund 1.245 Kilogramm Natururan nach Deutschland, aus Großbritannien kamen 779 Kilogramm. Beide Länder verfügten aber nicht über eine eigene Uranproduktion. „Folglich haben diese Staaten ihr Natururan wiederum importiert und fungieren nur als Zwischenhändler“, heißt es in dem IPPNW-Papier.
Informationen über die genaue Herkunft des Urans zu erhalten seien wichtig, sagt die atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl. Das radioaktive Metall werde „so gut wie nirgendwo unter akzeptablen Bedingungen abgebaut“, kritisiert Kotting-Uhl. Das sei der Grund, warum Bundesregierung und Atomindustrie die Herkunftsländer oder gar die Minen nicht bekannt gäben. Umweltorganisationen bemängeln immer wieder die Folgen des Uranabbaus gerade in Ländern mit schwachen staatlichen Institutionen. So würde radioaktives Material an die Erdoberfläche gelangen und in Kontakt mit dem Grundwasser geraten. Außerdem entstehe radioaktives Gas, das die Gesundheit der Bewohner in den Abbaugebieten gefährde.
Ulrich Schwarz-Schampera von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hingegen hält den Uranhandel für transparent. So enthalte das „Red Book“, das die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) zusammen mit der OECD herausgebe, die wesentlichen Informationen über Vorkommen, Produktion und Nachfrage. „Die Zahl der Minen ist nicht sehr hoch“, sagt Schwarz-Schampera, auch darum könne man die Herkunft des Urans nachvollziehen. Frankreich beziehe es überwiegend aus Niger, Großbritannien aus Namibia.
Auch ein Sprecher des Düsseldorfer Atomkraftbetreibers RWE-Power weist die Kritik zurück. Alle Verträge, die das Unternehmen mit Uranhändlern abschließe, kämen schließlich unter Mitwirkung der EU-Behörde Euratom zustande. Konkrete Lieferländer nannte der Sprecher nicht. „Wir besorgen uns den Rohstoff bei allen etablierten Händlern überall dort, wo Uran vorkommt“, sagte er.
Allerdings steckt der Teufel im Detail. Rechne man die im Jahr 2009 nach Deutschland importierten und die hierzulande verarbeiteten oder gelagerten Mengen von Natururan gegen, „bleiben mindestens 380 Tonnen übrig“, heißt es in dem IPPNW-Bericht. Dies sei ein deutliches Zeichen für die mangelhafte Datenlage, sagt Studienautor Paaßen.
HEIKE HOLDINGHAUSEN
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