: Vom Sofa aus gedacht
PROTEST Auf die Sportler kann sich der Putin-Kritiker nicht verlassen. Fünf Vorschläge zum Selbermachen
VON LENA KAISER
Die Spiele ignorieren
■ So geht’s: Einfach nicht hinfahren oder den Fernseher abschalten. Und weggucken, wenn Olympia im U-Bahn-Fernsehen kommt. Müsste man dann eigentlich an dieser Stelle aufhören zu lesen?
■ Der macht’s: Der französische Staatschef François Hollande, Großbritanniens Premierminister David Cameron, Bundespräsident Joachim Gauck und US-Präsident Obama wollen nicht nach Sotschi reisen, offiziell aus Termingründen. Einzelne Künstler, wie etwa der Schriftsteller Stephen Fry oder die Sängerin Lady Gaga, haben wegen des Gesetzes gegen sogenannte homosexuelle Propaganda vor Minderjährigen zum Boykott der Olympischen Spiele aufgerufen.
■ Was bringt’s? Nehmen wir an, die weltweiten Fernseheinschaltquoten der Olympischen Spiele wären die niedrigsten jemals – würde das das Olympische Komitee in Zukunft davon abhalten, Spiele in Ländern mit kritischer Menschenrechtslage zu veranstalten? Mehr als spekulativ.
■ Risiken und Nebenwirkungen? Verbände wie der Lesben- und Schwulenverband Deutschland vertreten die Position, dass die Olympischen Spiele die Chance bieten, auf die Situation der Lesben und Schwulen in Russland aufmerksam zu machen – oder aufmerksam zu werden. Dafür muss man hinfahren oder wenigstens hinschauen.
Die Fahne schwenken
■ So geht’s: Mit dem Regenbogenhandtuch, dem Regenbogenschal und dem Regenbogenregenschirm nach Sotschi fahren. Oder einfach hier in Deutschland protestieren – zum Beispiel diesen Samstag um 15 Uhr, wenn der Lesben- und Schwulenverband Deutschland zum Protest vor der Russisch-Orthodoxen Kirche in Hamburg aufruft.
■ Der macht’s: In Berlin kamen im Herbst rund 400 Menschen zum Kiss-in vor der russischen Botschaft, 5.000 zu einer Demonstration gegen die Anti-Homo-Politik. Den subtilen Regenbogenprotest vor Ort testete die schwedische Athletin Emma Green Tregaro 2013 bei der Leichtathletik-WM in Moskau: sie lackierte sich jeden Fingernagel in einer anderen Farbe.
■ Was bringt’s? Wenn man es erst mal mit seiner Fahne nach Sotschi geschafft hat, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass man ins Fernsehen kommt.
■ Risiken und Nebenwirkungen? Zwar hat Putin Anfang Januar das Demonstrationsverbot teilweise aufgehoben, sicher sind Demonstranten deshalb noch lange nicht. Das zeigte sich schon vor zwei Wochen beim Staffellauf mit der olympischen Fackel, als im russischen Woronesch der Homo-Aktivist Pawel Lebedew festgenommen wurde, weil er eine Regenbogenfahne zeigte. Seine Freunde stellten Fotos ins Internet, die Lebedew zeigen, wie er die Fahne ausrollt und von Sicherheitsleuten überwältigt wird.
Protestbriefe schreiben
■ So geht’s: Eine Petition im Internet suchen und unterzeichnen. Oder nachdenken und selbst eine schreiben.
■ Der macht’s: 27 Nobelpreisträger protestierten Mitte Januar in einem offenen Brief an Präsident Wladimir Putin gegen die russische Politik gegenüber Lesben und Schwulen, Amnesty International schickt „Liebesgrüße nach Russland“ und der Lesben- und Schwulenverband Deutschland fordert mit dem Sotschi-Freiheitsappell zusammen mit Prominenten wie Sängerin Nina Hagen, Schriftsteller Frank Schätzing und Journalist Günter Wallraff Sportlerinnen und Staatsvertreter auf, sich in Sotschi für die Rechte von Homosexuellen auszusprechen.
■ Was bringt’s? Bisherige Kampagnen bekamen viel Aufmerksamkeit, da zumindest die westliche Öffentlichkeit offenbar auf Zeichen des Protests wartet. Welche der Briefe Putin allerdings wirklich gelesen hat, ist ungeklärt.
■ Risiken und Nebenwirkungen? Vergebliche Liebesmüh.
An NGOs spenden
■ So geht’s: Eine russische LGBT-Organisation des Vertrauens finden und Geld für die Arbeit vor Ort überweisen.
■ Der macht’s: Die taz spendet die Hälfte der Einnahmen aus ihren Sotschi-Probeabos an NGOs. Auch die Hirschfeld-Eddy-Stiftung hat schon zum Beispiel für die Organisation „Coming Out“ in St. Petersburg gesammelt.
■ Was bringt’s? Durch Putins Gesetz zum Verbot von Homosexuellen-Propaganda drohen Organisationen vor Ort hohe Geldstrafen. Wer dort gerade deshalb nicht mit der Propaganda aufhören will, braucht also neben Mut auch Rubel.
■ Risiken und Nebenwirkungen? Eine russische LGBT-Gruppe und ein queeres Filmfestival wurden im vergangenen Jahr verurteilt, weil sie Geld aus dem Ausland erhielten und sich zuvor nicht als „ausländische Agenten“ registriert hatten, wie es die russischen Gesetze verlangen. Die Gruppen bitten dennoch weiter um Spenden.
Wodka boykottieren
■ So geht’s: Beim Schnapseinkauf auf unverfängliche geografische Herkunft achten. Vielleicht mal Wodka aus Finnland?
■ Der macht’s: Schwulenbars in den USA und England waren die Vorreiter, im August erreichte der Trend auch Deutschland: Demonstrativ schenken einige Kneipen keinen russischen Wodka mehr aus, um gegen Wladimir Putins Anti-Homosexuellen-Gesetz zu protestieren.
■ Was bringt’s? Bilder von Männern, die nach einem Aufruf des homosexuellen Bloggers Dan Savage in den USA Wodkaflaschen auf dem Bordstein entleeren, schaden vor allem dem Image der jeweiligen Hersteller.
■ Risiken und Nebenwirkungen? Geringe Zielgenauigkeit. Es bleibt unklar, was Wodkahersteller genau mit der russischen Politik zu tun haben. Und die in der Bundesrepublik und den USA gängigsten Marken „Moskovskaya“ und „Stolichnaya“ etwa werden gar nicht in Russland, sondern in Lettland hergestellt.
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