: Wollen wir sie reinlassen?
In München ist eine Info-Veranstaltung gegen rechts geplatzt, weil die Polizei unbedingt dabei sein wollte
Darf der polizeiliche Staatsschutz zuhören, wenn demokratische Institutionen auf einer Veranstaltung über rechte Gewalt informieren? Diese Frage bewegt gerade die Münchner Stadtgesellschaft. Der Kreisjugendring München Stadt (KJR) und die Deutsche Journalisten Union (dju) hatten am vergangenen Mittwoch gemeinsam mit den Vereinen InSight und AIDA zu einer Diskussionsveranstaltung „Was tun gegen rechts?! Opfer stärken – Tätern Grenzen setzen“ geladen. Mit dabei sein wollten zivile Staatsschützer, die sich – so sagen es dju und KJR – nicht aktiv zu erkennen gaben. Die beiden Beamten wirkten aber derart deplatziert, dass sie aufflogen und vom Moderator, dem Journalisten Michael Backmund, des Hauses verwiesen wurden. Widerwillig zogen sie ab – um 40 Minuten später in Begleitung von 20 Uniformierten Zutritt zu verlangen. „Die Staatsschutzbeamten drohten unmittelbaren polizeilichen Zwang an, um sich Eintritt zu verschaffen“, so Backmund. „Das habe ich unter Protest zur Kenntnis genommen und die Veranstaltung daraufhin abgebrochen.“
Nicht nur KJR und dju protestierten gestern gegen die Polizeiaktion, auch für die Münchner Grünen ist die Überwachung ein Skandal. Schon seit Jahren müssten engagierte Bürger erleben, dass sie beim Engagement gegen rechts mit Strafverfahren überzogen würden, so Rathausfraktions-Chef Sigi Benker. „Das jetzige Vorgehen ist allerdings ein neuer Schritt: Es geht nicht mehr um Strafverfolgung nach Protesten gegen Neonazis, sondern um Überwachung und Kontrolle schon von politischen Veranstaltungen zu diesem Thema.“
Die Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen mit Verweis auf das Versammlungsgesetz, Paragraf 12 und gab als Grund für ihr unauffälliges Erscheinen bislang einen Podiumsteilnehmer an, der „vor Jahren in der linksextremistischen Szene“ aufgefallen sei. Im Gespräch mit der taz änderte Polizeisprecher Wolfgang Wenger die Argumentation allerdings. Nicht mehr vom Beobachten eines vermeintlich Linksextremen war die Rede, sondern „vom Schutz des Versammlungsrechts“. Die Polizei müsse ein Auge auf solche Veranstaltungen haben – egal ob links oder rechts –, denn immer wieder sei es in der letzten Zeit zu Störungen gekommen. Und für Wenger steht auch fest, dass sich die Zivilpolizisten ganz brav zu erkennen gegeben hätten: „Der eine sagte: Ja, ich bin von der Polizei.“ Das hat auch Versammlungsleiter Backmund gehört, „allerdings erst nach fünf Minuten und mehrmaligem Nachfragen“. Für den dju-Mann und die anderen Veranstalter ist dieses geheimpolizeiliche Auftreten ein klarer Rechtsbruch, gegen den sie vor dem Verwaltungsgericht Feststellungsklage erheben.
Für den Juden Ernst Grube, Jahrgang 1932, steht das Recht nicht so sehr im Vordergrund, „erschüttert“ ist er umso mehr. Er wollte am vergangenen Mittwoch nur zuhören und sich mit Gleichgesinnten austauschen. „Es geht mir um meinen moralischen Anspruch, überall auftreten zu können, um gegen Neonazis aktiv zu werden.“ MAX HÄGLER
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