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Schön pummelig

Manchmal verwirrt das „Kleine Fernsehspiel“ des ZDF: etwa wenn Arte Filme vorab zeigt – wie „Siehst du mich?“ von Katinka Feistl (20.40 Uhr)

Von Christian Bartels

Das „Kleine Fernsehspiel“ im ZDF ist ein echter Markenartikel. Das sieht man schon daran, dass er traditionelle Wortbestandteile bewahrt, die sonst niemand mehr verwenden würde: „Fernsehspiel“ klingt so statisch nach Schwarzweißfernsehen, dass jeder lieber von „Film“ oder „Movie“ spricht. Und klein mag natürlich auch niemand sein.

Klein im Vergleich zum sonstigen Fernsehfilmschaffen ist das Budget. Mit rund 5 Millionen Euro koproduziert die Nachwuchsredaktion etwa 23 Filme im Jahr. Meistens laufen sie am angestammten Sendetermin montags gegen Mitternacht. Nur manchmal darf das „Kleine Fernsehspiel“ etwas früher ran. Derzeit gestattet das Gottesgeschenk der Kerner-Sommerpause Filmen unter dem Label „Gefühlsecht“, dienstags schon um 22.45 Uhr gesendet zu werden.

Von der jungen Regisseurin Katinka Feistl sind darin gleich zwei Filme zu sehen – eine echte Revolution. Der eine heißt „Siehst du mich?“ (im ZDF am 15. August, heute vorab auf Arte), der andere „Bin ich sexy?“ und läuft am 7. August auf dem großen ZDF-Fernsehfilm-Termin um 20.15 Uhr. Auch das ist für die Anstalt, in der alle Redaktionen fixe Sendeplätze haben, eine kleine Sensation. Es spricht natürlich für Feistls Filme. Sie erzählen optimistisch von Selbstzweifeln, von der schwierigen Balance zwischen Schauseiten und dem täglichen Leben, von pummeligen jungen Mädchen.

In „Bin ich sexy?“ nimmt die 15-jährige Mareike (Marie-Luise Schramm) für die Sexyness Bauchtanzunterricht und auch sonst viel auf sich. Dann wird sie von Haarausfall geplagt. „Siehst du mich?“, fragt Tiffany (Viktoria Gabrysch, die im Berliner U-Bahn-TV von der Rolle las und eigens dafür zunahm). Als Kosmetikverkäuferin ist sie – solange sie ihren Job noch hat – erfolgreich beim „Beauty Coaching“ fremder Kundinnen. In eigener Sache ist das schwieriger. Tiffany aber lässt sich nicht unterkriegen, obwohl ihre noch beleibtere Mutter es ihr nicht leicht macht: Der Film funktioniert empathisch ohne Pathos, die fernsehfilmübliche Redundanz und aufgesetzte Sozialkritik.

Mit der spröden „Berliner Schule“ von Kinoregisseuren wie Christian Petzold, die teils auch von der Redaktion „Kleines Fernsehspiel“ gefördert werden, habe sie nichts am Hut, sagt die Berliner Regisseurin Feistl. In der Tat: Dass die Handlung unversöhnlich ist oder mit Wendungen aufwartet, die es nur selten zu sehen gibt, lässt sich „Siehst du mich?“ genauso wenig vorwerfen wie dem männlichen Hauptdarsteller Sebastian Strobel, dass er nicht verdammt an Til Schweiger erinnert. Das Ende wird auch Happy-End-verwöhnte ZDF-Zuschauer nicht erschrecken. Kurzum: „Siehst du mich?“ und „Bin ich sexy?“ sind im besten Sinne Mainstream – und eben nicht die sonst zur Primetime ausgestrahlten stereotypen, vorzugsweise an sonnigen Urlaubsorten angesiedelten Romantikkomödien, in denen gesellschaftliche Realität bestenfalls Kulisse ist.

Auf die Frage, was ein „Kleines Fernsehspiel“ für eine 20.15-Uhr-Ausstrahlung qualifiziert, sprach Redaktionsleiterin Heike Hempel von „Publikumszugewandtheit“ und „durchgehender Unterhaltsamkeit“. Es gebe aber viele Titel, die dafür in Frage kämen. Stimmt. Es gibt keinen Grund, „Kleine Fernsehspiele“ im Nachtprogramm zu verstecken; es würde das ZDF zieren und der Senderfloskel von der Zielgruppe der „aktiven Mitte“ ein wenig Leben einhauchen. Immerhin zeugen die Feistl-Filme und die „Bin ich sexy?“-Programmierung von Beweglichkeit – wenn auch mitten in der sonst von Wiederholungen geprägten Sommerpause.

Im Herbst wird das Problem der Pummeligkeit dann wieder in anderer Tonart verhandelt. Für die Bestsellerverfilmung „Moppel-Ich“ konnte das große teure ZDF-Fernsehspiel der ARD gar das Freitagsfilm-„Vollweib“ Christine Neubauer abjagen.

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