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Kana, die WendeKommentar von Georg Baltissen

Der neue Nahe Osten, den US-Präsident Bush und seine Außenministerin am Wochenende so wortreich beschworen haben, ist schlicht der alte. Der Bombenangriff auf Kana mit 56 Toten, darunter 34 Kindern, erinnert fatal an die 102 Zivilisten, die 1996 in derselben Ortschaft in einem Schutzlager der Unifil von Israels Granaten getötet wurden. Diese Attacke brachte die damalige Operation „Früchte des Zorns“ zum Erliegen. Der internationale Aufschrei zwang Israel zum Einlenken. Auch damals rechtfertigte die israelische Regierung unter Schimon Peres die „versehentliche“ Tötung der Zivilbevölkerung mit den dort stationierten Abschussrampen der Hisbollah.

Das Erklärungsmuster für Israels Bombardements im Südlibanon ist heute das gleiche. Gleich geblieben ist auch die internationale Reaktion, die die Barbarei solcher Angriffe zu Recht anprangert. Doch der Ruf nach einer sofortigen Waffenruhe, wird – im Gegensatz zu 1996 – nur begrenzte Wirkung zeigen. Gewiss werden alle Seiten erneut die Notwendigkeit einer internationalen Friedenstruppe für den Libanon betonen. Und das diplomatische Tauziehen wird auf Hochtouren laufen. Auch im UN-Sicherheitsrat wird die Haltung der proisraelischen Vetomacht USA immer unhaltbarer. Auf dem Feld der Diplomatie sind Israel und die USA schon die Verlierer.

Noch aber ist kein Weg gefunden, um Israel und die USA gesichtswahrend aus diesem Krieg gegen die Hisbollah herauszumanövrieren. Ein sofortiger bedingungsloser Waffenstillstand käme einem Sieg der Hisbollah gleich. Verhandlungen über den Austausch von Gefangenen und die Herausgabe der von Israel noch besetzten Scheba-Farmen könnte Israels Armee nur als blamable Niederlage auffassen.

Der Krieg wird deshalb in den kommenden Tagen an Intensität eher zunehmen. Israels wird seine Bodenoffensive gegen die Hisbollah ausweiten. Viel Zeit bleibt dieser bislang von der islamistischen Guerilla düpierten Armee freilich nicht, wenigstens ihr Abschreckungsimage wieder aufzupolieren. Ohne rasche militärische Erfolge könnte Kana 2006 für die israelische Armee doch noch werden, was Kana 1996 für sie wurde: ein Menetekel, dem der Abzug aus dem Libanon folgte.

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