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Hardliner wird neuer Armeechef

General Yasar Büyükanit von türkischem Staatschef zum Gerneralsstabschef ernannt. Furcht vor wachsenden Spannungen zwischen Militär und Regierung

General YasarBüyükanit gilt auch als Hardliner im Umgang mit der PKK

ISTANBUL taz ■ Die Türkei bekommt einen ausgesprochenen Hardliner an die Spitze des politisch immer noch sehr einflussreichen Militärs. Vom Zeitpunkt her völlig überraschend, unterzeichnete Staatspräsident Sezer am Montagabend auf Vorschlag des Ministerrates die Ernennungsurkunde für General Yasar Büyükanit zum neuen Generalstabschef.

Nach den sonst üblichen Regularien hätte der heute tagende Oberste Militärrat den bisherigen Heereschef Büyükanit eigentlich erst vorschlagen müssen, bevor er dann vom Ministerpräsidenten bestätigt wird. Dass es nun anders lief, hat damit zu tun, dass der Ernennung ein dramatischer Konflikt zwischen Büyükanit und der Regierung von Ministerpräsident Erdogan vorausging.

Büyükanit gilt in der islamisch grundierten Regierungspartei AKP als Kemalist alter Schule, der besonders rigoros gegen die „islamische Gefahr“ vorzugehen bereit ist. Deshalb hätte man gerne die Amtszeit des moderaten Hilmi Özkök verlängert, der den Reformprozess der letzten Jahre loyal mitgetragen und immer betont hat, dass er demokratische Entscheidungen respektieren werde.

Da Özkök eine Verlängerung seiner Amtszeit aber kategorisch ablehnte, wollte man dann einen Grund finden, Büyükanit bei der Nachfolge zum Amt des Generalstabschefs zu übergehen. Dieser Grund schien denn auch Anfang des Jahres gefunden: Ein Staatsanwalt, der einen Bombenanschlag auf eine kurdische Buchhandlung untersuchte, beschuldigte in seinem Ermittlungsbericht den Heereschef Büyükanit als Drahtzieher des Attentats.

Die Beweislage war allerdings so dünn, dass auf den massiven Druck der gesamten Militärspitze hin das Justizministerium den Staatsanwalt suspendieren musste und die Anklage gegen Büyükanit fallen gelassen wurde. Da fast sämtliche politische Beobachter in der Türkei davon ausgingen, dass die Drahtzieher der Anklage gegen Büyükanit im Amt des Ministerpräsidenten saßen, ist das Verhältnis zwischen Erdogan und dem Heereschef seitdem empfindlich gestört.

Weil Büyükanit nach dem misslungenen Manöver aber nicht mehr zu verhindern war, ist Erdogan jetzt vorgeprescht und hat den Heereschef vorzeitig zum Generalstabschef ernannt, um weitere Konflikte zu vermeiden. Gerade angesichts der angespannten Situation im gesamten Nahen Osten und dem potenziellen Konflikt mit dem Iran, will Erdogan möglichst einen Dauerkonflikt mit der eigenen Militärführung vermeiden.

Büyükanit gilt nicht nur als kompromissloser Kämpfer gegen alle Islamisierungstendenzen, sondern auch als Hardliner im Umgang mit der PKK. Er war in den 90er-Jahren oberkommandierender General im Südosten des Landes, wo er die PKK mit allen Mitteln bekämpfen ließ. Auch jetzt wird er stärker auf eine militärische denn politische Lösung in der Kurdenfrage setzen. Er gilt als Verfechter eines türkischen Militärschlages gegen die PKK im Nordirak.

Lale Sariibrahimoglu, Korrespondentin der Militärzeitschrift Janes Defence und eine der besten Kennerinnen des türkischen Militärs, sagt über Büyükanit: „Er gehört zur alten Schule und ist eher gegen die zivile Kontrolle des Militärs.“ Für Hüseyin Balci, Politologe an der Universität von Ankara, ist Büyükanit ein Nationalist, der sich im Zweifel eher an den USA als an Europa orientiert. Sollte der General seinem Ruf gerecht werden, stehen der Türkei zunehmende Spannungen zwischen Militär und Regierung und eine Intensivierung der militärischen Auseinandersetzungen im Osten des Landes bevor. JÜRGEN GOTTSCHLICH

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