Nachfolge auf Probe: KOMMENTAR VON TONI KEPPELER
Zunächst einmal geht alles seinen sozialistischen Gang. Schließlich hat Fidel Castro sein politisches Erbe längst geregelt. Was sich derzeit auf Kuba abspielt, ist gewissermaßen eine Nachfolge auf Probe.
Castros Erben dürfen schon einmal üben. Der knapp fünf Jahre jüngere Bruder des Patriarchen übernimmt fürs Erste das Ruder. In der Reihe hinter ihm arbeitet die nächste Generation. Raúl, der quadratische Militärkopf, wird – zur Not auch mit Repression – dafür sorgen, dass sich die Kubaner weiterhin um die revolutionäre Fahne scharen. Die Pragmatiker der zweiten Reihe kümmern sich darum, dass Kuba weiterhin recht oder schlecht funktioniert. Und Freund Hugo Chávez in Venezuela wird genügend von seinem Öl schicken, damit auf der sozialistischen Insel die Lichter nicht ausgehen.
Selten war die Zeit für einen Übergang so günstig wie jetzt. Auch ein Millionenpaket aus Washington zur Stärkung der kubanischen Opposition wird daran nichts ändern. Und noch ist der Alte nicht tot.
Es steht schlimm um Fidel, keine Frage. Dass er sich nicht selbst von seinen Landsleuten ins Krankenhaus verabschiedet hat, sondern seinen Privatsekretär schickte, spricht für eine Notoperation in letzter Minute. Die Feierlichkeiten zu Castros 80. Geburtstag wurden vom 13. August auf den 2. Dezember verschoben. Eine lange Zeit. Ob er danach zurückkommt, bleibt vorerst offen.
Vielleicht nutzt Fidel ja die Zeit der Rekonvaleszenz, um zu schauen, ob alles so läuft, wie es für die Zeit nach seinem Tod geplant war. Ob Bruder Raúl mit seiner Armee das Land im eisernen Griff hält. Und ob die Jüngeren auch ohne den Übervater zurechtkommen.
Sollte alles zu Fidels Zufriedenheit verlaufen, braucht er gar nicht zurück an die Macht. Die Krankheit ist seine letzte Chance auf einen würdigen Abgang ins Amt des Elder Statesman. Es wäre den Kubanern zu wünschen, dass der Quadratschädel Raúl erst mal nicht alleine regiert, sondern den flexibleren – und geliebteren – Bruder als Korrektiv im Hintergrund hat.
Ob Fidels Lebenswerk Zukunft hat, wird sich ohnehin erst entscheiden, wenn beide Castros gegangen sind.
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