piwik no script img

DIE GESELLSCHAFTSKRITIKEnglische Fluten

WAS SAGT UNS DAS? England versinkt im Hochwasser und die Glaubwürdigkeit der Konservativen gleich mit. Premier Cameron macht ausgerechnet in seinen Wählergebieten eine schlechte Figur

Cameron verwechselt Entschlossenheit vor der Kamera mit Souveränität in der Sache

Seit über 200 Jahren hat der Süden Englands keinen so durchnässten Jahresanfang erlebt. In Somerset stehen weite Landstriche unter Wasser, in Dorset wurde der weltberühmte Kieselstrand „Chesil Beach“ bis zur Unkenntlichkeit von den Wellen umgepflügt, in Devon stürzte eine Bahnlinie ins Meer. Und nun ist auch die Themse oberhalb von London großflächig über ihre Ufer getreten, im halben Land liegt der Zugverkehr lahm.

In den Fluten versinken nicht nur Felder, sondern auch liebgewonnene Gewissheiten der britischen Politik. Auf der Linken herrschte die Überzeugung, David Cameron sei ein versnobter Premier der Millionäre, der sich speziell um die begüterten Gefilde des ländlichen Südenglands kümmere. Und die Rechte glaubte, die Konservativen würden, wenn überhaupt, in Krisen Stärke zeigen.

Das Gegenteil ist der Fall. Von Kümmern kann keine Rede sein, Cameron reagiert spät und unzureichend, er verwechselt Entschlossenheit vor der Kamera mit Souveränität in der Sache. Seine Regierung muss sich zusätzlich des berechtigten Vorwurfs erwehren, sie habe den Küsten- und Hochwasserschutz vernachlässigt. Hätte sie aber trotz massiver Haushaltskürzungen in diese Programme massiv investiert, während anderswo die Infrastruktur brachliegt, sähe sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, die eigene Wählerschaft im Süden zu bevorzugen. Die Kürzungen in diesen Bereichen sind ein Erbe der Labour-Regierungen und wurden von der konservativ-liberalen Koalition fortgeführt. Im Amt blieb auch der Labour-Politiker Chris Smith, ein Veteran der Blair-Ära und einst Inbegriff metropolitaner Stadtkultur, als Chef der britischen Umweltbehörde.

Wer wird nun den über Jahrhunderte angesammelten Sachverstand der englischen Landbevölkerung zur eigenen Landschaftspflege ernst nehmen? Mit jedem ins Meer rutschenden Küstenstreifen bröckelt auch die Glaubwürdigkeit der Konservativen. DOMINIC JOHNSON

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen