schwindende bevölkerung: Abriss ist guter Anfang
Städte in NRW wollen Geld für die Abrissbirne. Das ist eine gute Nachricht. Endlich wurde begriffen, dass die Flucht von EinwohnerInnen nicht mehr zu stoppen ist. Jahrelang setzten die Kommunen auf IT-Zentren oder Logistik-Ports. Nun entsteht in Duisburg, was die Menschen wirklich vermissen: ein grünes Viertel. Laut Umfragen flüchtet die Mehrheit vor einer zumindest empfundenen Unsicherheit, vor tristen Geschäftszeilen, leeren Wohnblöcken und Lärm.
KOMMENTAR VONANNIKA JOERES
Mit ihrer Forderung nach Geld sollten sich Gelsenkirchen und seine Nachbarn aber nicht zufrieden geben. Allein mit vielen Euro wird sich das Ausbluten nicht verhindern lassen. Das hat der so genannte Aufbau Ost gezeigt. Dort führen heute sechsspurige Autobahnen ins Nichts, moderne elektronische Fahrpläne für Straßenbahnen werden nicht benötigt. Erfolgsversprechender hingegen waren so rührende Projekte wie Gemüsegärten und Streichelzoos in den östlichen Innenstädten. Auch in Leipzig hat das Grüne die Oberhand gewonnen: Ein Ahornwald ist bereits für 600.000 Euro mitten in der Stadt angepflanzt worden.
Ob diese Strategie der kleinen Pflänzchen auch langfristig erfolgreich ist, wird sich allerdings erst in einigen Jahren zeigen. Die Städte im Ruhrgebiet haben Probleme zu lösen, für die es kein Beispiel gibt: Für Städte mit geringer wirtschaftlicher Entwicklung und zurückgehender Einwohnerzahl zu planen, ist historisch ohne Vorbild. Noch in den späten 60er Jahren sahen sich die Ruhrkommunen zukünftig in einer Reihe mit Tokio und Paris. Selbst Krefeld träumte von U-Bahnen, fast alle stampften nun unansehnliche Betonburgen für tausende von BürgerInnen aus dem Boden. Heute träumen die BewohnerInnen von Rasen und Parks. Der Städtebau wird also ein kurzfristiges Geschäft bleiben: Niemand weiß, ob in Zukunft wieder Wohnungen im 18. Stock mit Fernsicht gefragt sein werden.
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