Delmenhorster Fatwa?: Lieber im Stillen beten
Wer seinen Gott bittet, jemand anders zu bestrafen, mag ein unangenehmer Mensch sein. Aber justiziabel ist das allein nicht.
Kommentarvon Jan Kahlcke
Nur ist leider das stille Gebet heutzutage ein wenig aus der Mode gekommen. Wer den Wunsch ins Internet stellt, einen ebenso erklärten wie umstrittenen Kritiker des Islam bestraft zu sehen, muss noch einen anderen Adressaten haben als den Allmächtigen. Die Vermutung, es gehe darum, irdische Exekutoren des vermeintlichen göttlichen Willens zu finden, ist nicht von der Hand zu weisen.
Die Auskunft der BKA-Gutachter, derartige Verwünschungen gehörten quasi zur arabisch-islamischen Folklore und seien daher nicht weiter bedenklich ist reichlich lapidar. Dahinter steht offenbar eine falsch verstandene Toleranz: Hier gelten europäische Werte und Konventionen und für strafrechtliche Würdigungen sind allein sie relevant.
Ob sie im Fall des „Muslim-Markts“ verletzt wurden, ist ohne Gerichtsverfahren kaum zu klären. Dort können Gutachter und Gegengutachter den Sachverhalt analysieren und so zu einer Klärung beitragen. Noch ein gutes Argument für ein Verfahren ist die Vorgeschichte des Beschuldigten: In seinem Internet-Portal hat er der Leugnung des Holocaust eine Bühne gewährt. Aus seiner – milden – Bestrafung scheint er nicht viel gelernt zu haben.
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