Der Weltrekordler

Wahrscheinlich war er ein zu guter Gitarrist: Im Spiel stark an Keith Richards orientiert, dem Rolling-Stones-Mann aber technisch überlegen, konnte der Wilhelmshavener Seemannssohn Gert „Kralle“ Krawinkel seine Fender Stratocaster streicheln, als wäre ihr Wimmern und Stöhnen der wahre Sinn des Seins. „The Vampyres“, „Just Us“, die „Emsland Hillbillies“, „Crawinkel“ und „Wind“: So hießen die Bands, mit denen er seit den 1960ern in Norddeutschland auftrat. Auch für Marius Müller-Westernhagen hat er gespielt.

Berühmt aber wurde Krawinkel, der am 16. Februar, gut zwei Monate vor seinem 67. Geburtstag, an Lungenkrebs starb, als musikalischer Kopf der Band Trio: Indem er die Musik gleichsam aus der Musik verbannte. Die Songs der ersten Trio-Schallplatte, deren Cover die gestempelte WG-Adresse der Gruppe ziert, hat Krawinkel geschrieben. Er war auch der Komponist des einzigen Liedes, das von der Combo bleibt: „Da da da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha“ entstand auf der Tingeltournee, Monate nach dem Record-Release. Der älteste Mitschnitt stammt aus dem Oktober ’81, vom Auftritt im Jugendclub Bramsche. Erst als die Single raus und das Lied in die Zweitauflage der Platte eingekoppelt ist, wird Trio groß: In 30 Ländern landet das Stück in den Charts. Die Band reduziere Rock ’n’ Roll „to it’s most basic rhythmic and melodic elements“, lobt die New York Times anlässlich eines von zwei Trio-Auftritten in den USA im Herbst 1983. Krawinkel heißt dabei versehentlich Krawinkle.

Tiefer als dieser Song kann man nicht schürfen. Andere werden von hier aus Neues erfinden. Die Band aber beginnt zu zerfallen: Anfang 1984 ziehen Stephan Remmler und Clown Peter Behrens weg aus der Regenterstr. 10a in 2907 Großenkneten 2. Krawinkel siedelt später über nach Berlin und baut schließlich in Andalusien Oliven an. Von dort reitet er 1996 auf seiner Stute Estrellita nach Hamburg – ein Weltrekord, der wirkt, als solle er etwas anderes überschreiben.  BES