: Erste Hilfe nach dem Arztbesuch
Gestern stellte die Berliner Patientenbeauftragte den ersten Bilanzbericht ihrer Tätigkeit vor. Die meisten Probleme gibt es für Patienten in der Notaufnahme und beim Zahnarzt. Die finanzielle Belastung müsse sozialverträglicher gestaltet werden
von Marlene Wolf
Wenn BerlinerInnen vermuten, dass sie falsch behandelt wurden, ihre Arztrechnung zu hoch ist oder sie nicht wissen, welche Leistungen von den Krankenkassen übernommen werden, können sie sich an Karin Stötzner wenden.
Ihr Posten ist einzigartig. Sie vertritt als Leiterin der Selbsthilfekontakt- und Informationsstelle (Sekis) nebenberuflich die Belange der Patienten. Zwar gibt es auf Bundesebene ebenfalls eine Patientenbeauftragte, doch für das Land Berlin ist Stötzner die einzige, die zwischen Patienten, Ärzten und Krankenkassen vermittelt. Gestern stellte sie den ersten Bericht seit Beginn ihrer Tätigkeit im November 2004 vor.
Rund 1.200 Anfragen erreichten die Beauftragtenstelle in den vergangen 21 Monaten. Verglichen mit der Einwohnerzahl Berlins sei das wenig, sagte Stötzner, dem Berliner Gesundheitssystem gehe es daher vermutlich gut, selbst wenn die Beschwerden überwogen.
Hauptärgernis waren dabei die Notaufnahmen in Berliner Krankenhäusern und die zahnärztliche Behandlung. In der Notaufnahme komme es oft zu langen Wartezeiten, es gebe nicht ausreichend Fachärzte, und die Betreuung von Angehörigen sei schlecht. Über ihre Zahnärzte klagten Patienten häufig wegen schlecht passenden Zahnersatzes und hoher Rechnungen. Hier seien die Probleme oft sehr „emotional aufgeladen“, sagte Stötzner, sodass in diesem Bereich auch die seelische Belastung der Betroffenen oft eine große Rolle spiele.
Als weiteres wichtiges Anliegen der BerlinerInnen nennt Stötzner die finanzielle Belastung durch die Gesundheitsreform. Unklare Rechnungen und hohe Zuzahlungen seien dabei wiederkehrende Themen. Gerade Menschen mit geringem Einkommen, alte Patienten und chronisch Kranke würden durch die jüngsten Gesetzesänderungen besonders stark belastet. Einige Einschnitte in das Gesundheitssystem seien „zwar notwendig“, andere würden die Patienten jedoch unnötig belasten, so Stötzner. Mittlerweile kämen so viele Zuzahlungen zusammen, die letztlich „alle aus einem Portemonnaie“ stammten. Vor allem bei Hartz-IV-Empfängern müssten bestimmte Einschnitte „auf ihre Sozialverträglichkeit überprüft“ werden. In Berlin sieht die Patientenbeauftragte deshalb noch viel Handlungsbedarf, vor allem von Seiten der Politik.
Helfen kann die Berliner Patientenbeauftragte vorrangig, indem sie bei den Verantwortlichen nachfragt und Verbesserungen fordert. Wenn dies nichts helfe, sei der Gang an die Öffentlichkeit ein „sehr wichtiges und hilfreiches Mittel“, sagte Stötzner. Im Jahr 2005 habe sie auf diesem Weg auf die Situation von Menschen, die aus bestimmten Gründen nicht krankenversichert sind, aufmerksam gemacht. Inzwischen erreichen Stötzner auch Anfragen aus Brandenburg. Vor allem Pendler, die in Berlin arbeiten, wenden sich an sie, doch um konkrete Belange zu lösen, fehle es bisher an Ansprechpartnern.
Mittlerweile steht sie mit dem Großteil der Berliner Kliniken sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin im Dialog. Auf mehreren Treffen pro Jahr setzt sie sich dabei für die Patientenbelange ein. Wichtige Themen seien für sie mehr Transparenz bei ärztlichen Behandlungen und Kassenleistungen sowie mehr Beteiligung von Patienten.
Sollte es zu einer weiteren Legislaturperiode von Heidi Knake-Werner (SPD) kommen, freue sie sich weiterzumachen, „wenn möglich mit besserer Ausstattung“, sagte Stötzner mit Hinblick auf die Wahlen im September. Heidi Knake-Werner lobte gestern die Arbeit von Stötzner als „wichtig und unentbehrlich“. Die Senatorin schuf diese Stelle 2004 nach dem Vorbild der Bundesbeauftragten und berief Stötzner auf den Posten, die für die „erste Wahl“ gewesen sei. In der neuen Legislaturperiode will die Gesundheitssenatorin die Patientenbeauftrage in eine feste Institution umwandeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen