: Verbissener Stellungskrieg in Moskau
RUSSLAND Erneut geht die Opposition auf die Straße, um die Versammlungsfreiheit einzufordern. Massives Polizeiaufgebot kreist Demonstranten ein und nimmt mehr als 100 fest, darunter Exvizepremier Nemzow
MOSKAU taz | Russlands Opposition hält unbeirrt an ihrer Strategie fest und ging auch am 31. August wie an jedem 31. eines Monats wieder auf die Straße. Zwischen 800 und 1.000 Teilnehmer versammelten sich im Moskauer Zentrum rund um den Platz des Triumphes, der seit nunmehr einem Jahr zum Schauplatz eines verbissenen Stellungskrieges zwischen Kreml und Opposition avancierte. Mit der 31 wollen die Kremlgegner an den Artikel 31 der Verfassung erinnern, der Versammlungsfreiheit garantiert. Mehr als 1.000 Bereitschaftspolizisten riegelten den Ort des Geschehens schon im Vorfeld ab. In den Seitenstraßen hatte die Staatsmacht überdies eine Armada von zusätzlichen Sicherheitskräften in Stellung gebracht, als stünde ein Staatsstreich unmittelbar bevor.
Die Polizei ging gegen die Demonstranten am Dienstag mit besonderer Härte vor. Rund hundert Personen wurden festgenommen und in Bussen auf verschiedene Polizeireviere verteilt. Unter den Festgenommenen war auch wieder der frühere Vizepremier Boris Nemzow, heute einer der Vorsitzenden der Oppositionsbewegung „Solidarnost“. Nemzow hatte erst letzte Woche eine dreitägige Haft wegen Teilnahme an einer anderen nicht gestatteten Demonstration abgesessen.
Auch der nationalbolschewistische Schriftsteller Eduard Limonow und Solidarnost-Mitglied Ilja Jaschin wurden in Gewahrsam genommen, am selben Abend aber noch freigelassen. Im Unterschied zu den früheren Festnahmen sei die Polizei auf der Wache diesmal nicht gewalttätig geworden, berichteten Festgenommene. Abgeordnete des Europaparlaments, die das Vorgehen der Polizei auf der Demonstration beobachteten, äußerten sich fassungslos: „Dies ist eine erstaunliche Art, mit Demokratie umzugehen, schockierend“, so der Niederländer Thijs Berman. KLAUS-HELGE DONATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen