: Hass, Hass, Hass
Ein sensationeller Fund belegt: Das Hohelied der Bibel klingt im Original ganz anders
Die Sensation erschütterte die gesamte Welt. Archäologen haben im Heiligen Land Schriftrollen entdeckt, die alt sind wie die erste Bibelniederschrift. In Höhlen nahe Qumran fanden sich Papyrus-Seiten, auf denen das Hohelied der Bibel in einer gänzlich anderen Version zu lesen ist. Die Wahrheit dokumentiert den dreigeteilten Text, der uns auch heute noch sehr viel über uns selbst und die menschliche Natur verrät.
Das 1. Kapitel: Inniger Hass auf den Feind
1. Gehe mir aus den Augen und verlasse meinen Sinn; denn dein Dasein ist lästiger als ein Haufen schmutzige Wäsche, der von Tag zu Tag größer wird und riecht bis in die letzten Ecken der Welt.
2. Du bist wie ein schöner Teppich, in dem Käfer und Spinnen nisten; und deine Haut ist glatt wie eine Plastikflasche, an der kein Kratzer ist und nichts darin. Die Pickel in deinem mehligen Gesicht, du hast sie abgemäht wie das Korn im August.
3. Dein Haar glänzt wie das gewachste Autodach in der Sonne, und ist nicht ein Makel daran; doch die Fahrerkabine darunter ist leer. Dein Verstand ist wie ein Motor ohne Zündschloss.
4. Sage mir an, du, den meine Seele hasst und unter die Radieschen wünscht, wo du weidest, dass ich meinen Fuß nicht dorthin setze, wo du und die Herden deiner Gesellen sind; denn ich will rein bleiben von den Ausdünstungen deiner gestörten Rede.
5. Denn deine Sprache ist wie Geröll, das den Berghang herabkommt. Deine Worte folgen einander ohne Ende wie die Autos auf der Autobahn. Deine Rede ist wie ein Bus ohne Haltestelle.
6. Und doch ist dein Wortschatz übersichtlich wie ein leerer Teller zu Mittag.
7. Die Wörter „cool“ und „geil“ fließen wie Eiter von deinen Lippen, und wenn du „okay“ sagst, ist es wie Speichel, der in fremdes Essen tropft. Siehe, einfach in jeden Satz stopfst du das Wörtchen „einfach“, bis die geknechteten Ohren der Weisen wackeln;
8. Und auf eine Frage stammelst du auf jeden Fall „auf jeden Fall“, dass die Gehirne der Vernünftigen einknicken. Auch antwortet dein Mund ungern „Nein“, sondern lieber „Ja! Nein“, und „voll leer“ stehst du im Leben wie ein Birnbaum ohne Birne.
9. Siehe, deine tägliche Rede hat viele Worte, doch sie sind allesamt unnütz wie 100 Schuhe für einen Regenwurm.
10. Die Arschgeigen lieben dich, und ihre Freude ist wie ein großer Spiegel. Doch wahrlich, die Augen aller anderen erbleichen.
11. Wie ein vom Taschentuch gekratzter Popel, so bist du ins Leben gestreut, und dein Tag ist jeden Tag wie ein geplatzter Reifen.
Das 2. Kapitel: Innigerer Hass auf den anderen Feind
1. Die Klugen verbergen sich unter dem Tisch, wenn sie dich kommen hören; denn du bist gefährlicher als eine schwarze Mamba, die an der Nase hängt.
2. Deine Existenz ist wie ein abgebrochener Fingernagel, der über ein Handtuch fährt, gräulich wie das Kratzen des Narren auf den Saiten der Geige.
3. So klein ist dein Schwanz, dass eine Frau ihn sich in die Nase stecken kann; aber dein Auto ist groß vor dem Weibe.
4. Du riechst wie ein Korb voller Stierhoden, denn du weißt die duftenden Wässerlein anzuwenden; doch inwendig bist du voll des pelzigen Schimmels.
5. Dein Gehirn ist wie eine Wohnung ohne Bücher. Deine Sprache aber, sie gleicht einem asphaltierten Garten, in dem die Gummiblumen blühen.
6. Siehe, du äußerst deine „Erwartungshaltung“ bei einer „Zielstellung“ und hoffst auf ein „Erfolgserlebnis“; darum sollen Erwartung, Ziel und Erfolg dir fremd sein wie der behaarte Rücken des silbernen Mondes.
7. Und du schreist vorne aus deinem blinden Kopf heraus: „Das ist Emotion pur“, und staunst, wenn deine losen Schrauben durch die Arena kullern.
8. Die Vokabeln aber, mit denen du es am liebsten treibst, sind „Senkung der Lohnnebenkosten“, „Geschäftsklima“ und „wettbewerbsfähig“, ohne zu erröten,
9. Und, nicht zu vergessen: „Das ist völlig inakzeptabel“.
10. Die Welt mit dir zu teilen, ist wie ein Gang mit nackten Beinen durch ein Brennnesselfeld.
11. Ach, dass ich Zement hätte, meine Ohren zu versiegeln vor dir, dem die Masse der Sausäcke lauter, immer lauter nacheifert!
Das 3. Kapitel: Innigster Hass auf den Hauptfeind
1. Hebe dich hinweg vom Erdkreis, denn dein Leben ist wie Sand in der Festplatte. Du dünkst dich einen Meister, doch du gleichst nur dem Fettfleck auf dem Hemd.
2. Wie der Knorpel im Schnitzel, so bist du, wie ein Loch im Bürgersteig. Dein Leben ist gleich der Limousine, die durch die Pfützen fährt und Fußgänger durchnässt.
3. Deine Haut ist wie eine alte, polnische Kartoffel.
4. Weh mir, dass ich nirgends eine Zuflucht habe vor deinen stechenden Reden, die lästig sind wie ein kranker Zahn und dumm wie saure Milch. Wer dir folgt, dessen Füße laufen zum Tod.
5. Wisse, deine Sprache ist wie ein Haufen Abfall, in dem kalbsgroße Ratten hausen.
6. Wenn du „westliche Staaten- und Wertegemeinschaft“ sagst, soll dir die Zunge abbröckeln; und wenn das Wort „Patriotismus“ aus deinem Munde schleicht wie eine giftige Kröte, möge dir der Kopf voll Kieselsteine werden. Wenn du „Europa“ sagst wie einst „Deutschland“,
7. so ekelt sich selbst ein schmutziger Schmierlappen.
8. Dein Wort „Menschenrechte“ aber schmeckt nach Menschenblut und geplatztem Gedärm.
9. Deine Augen sind wie Spiegeleier, wenn du vorher die Verantwortung übernimmst und hinterher deine Entschuldigung vorbringst, und niemand sticht mit dem Pfannenmesser hinein.
10. Deine Rede brennt in den Ohren der Gerechten, doch das Volk der Dumpfbacken leckt dir die Schuhsohlen.
11. Darum sieh dich vor; denn Hass ist stark wie der Tod und noch stärker, und sein Eifer aber ist heißer als die Hölle.
AUFGEZEICHNET VON
PETER KÖHLER
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