: Magische Rechenstunde mit Jürgen E. Zöllner
LEHRERMANGEL Berlins Schulen fehlen exakt 12,4 Lehrer, haben Berechnungen des Schulsenators ergeben
Bisher haben wir Schulsenator Jürgen E. Zöllner (SPD) manchmal gern als den Rolling Stone unter den Senatoren betrachtet: Etwas zerknittert, aber gerade deshalb attraktiv. Nun entdecken wir noch eine ganz andere Ähnlichkeit: Würde Zöllner seine Haare zu einer langen Mähne wachsen lassen und statt der strengen Anzüge mit der ewigen Fliege mal golddurchwirkte Umhänge tragen, könnte er durchaus als Albus Dumbledore durchgehen: Der Chefmagier, der das Internat Hogwarts leitet, wo Harry Potter zaubern lernt.
Denn Zaubern kann der Senator offenbar gut: Den Lehrermangel, den Eltern, Schulen und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) seit Wochen beklagen, hat er einfach so verschwinden lassen. Ganze 12,4 Lehrer fehlten in Berlin, teilte der Senator am Dienstag auf einer Pressekonferenz mit, bei der er zudem beklagte, dass „andere Umfragen“, die sich auf „zufällige Rückläufe beziehen, die kein vollständiges Bild abgeben“ würden, „Unruhe“ an die Schulen gebracht hätten. Gemeint ist zum einen die GEW, die bei einer Umfrage kurz nach Schuljahresbeginn einen Lehrermangel von 400 Vollzeitstellen angeprangert hatte. Zum Zweiten der Landeselternausschuss, der auf etwa 300 fehlende Lehrkräfte kam.
Die hat der Senator nun jedenfalls herbeigezaubert – herbeigerechnet kann er sie jedenfalls nicht haben, denn das kann der Senator gar nicht so gut. Was sich zeigt, wenn er es mal live versucht. Etwa so: 31 Unterrichtsstunden hätten Schüler einer Sekundarschulklasse, dafür bekäme die Schule bei einem hohen Migrantenanteil 50 Lehrerstunden: „Also 80 Prozent über Bedarf“, rechnet der Senator: Es sind tatsächlich 61,3 Prozent.
So kommt es vielleicht auch, dass seine Tabelle, laut der Berlin 12,4 Lehrer zu wenig hat, allein für Spandau einen Bedarf von 28,8 LehrerInnen zusätzlich ausweist, in Mitte sind es 19,1. Und selbst wenn Mitte wie bereits geplant 6, Spandau 15 weitere Lehrer zugeordnet werden, bleibt der Bedarf in den beiden Bezirken immer noch über dem, den Zöllners Zaubertabelle für ganz Berlin ausweist.
Doch wie immer bei der Zauberei gibt es eine logische Erklärung: Es geht nicht um Magie, sondern um Illusion, was laut Wörterbuch auch „Wunschvorstellung“ bedeutet: Es sind eben in einigen Bezirken mehr Lehrer da, als gebraucht werden. Mit anderen Worten: Lehrer sind da. Sie sind aber nicht unbedingt körperlich da, wo sie gebraucht werden. Ob das den Schulen reicht, bleibt abzuwarten. ALKE WIERTH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen