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Raus aus der Nische, rein ins Netzwerk

FAIR TRADE TOWN Seit Anfang 2009 können sich Städte in Deutschland zertifizieren lassen. Das Label verschafft korrekt gehandelten Produkten mehr Aufmerksamkeit bei Wirtschaft und Verbrauchern

Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) setzte Ende Juni seinen Namen unter die Bewerbung der Bundesstadt als „Fair Trade Town“ – als Stadt also, die sich besonders für die Verbreitung ethisch korrekt gehandelter Produkte einsetzt. Schon seit Jahren wird bei Sitzungen im Stadtrat und im Bürgermeisterbüro fair gehandelter Kaffee serviert. Wichtigstes Kriterium für die Auszeichnung als „Fairtrade Town“ ist allerdings: Neben Schulen, Kirchen und Medien müssen vor allem die lokale Gastronomie und der Einzelhandel mitziehen – und Produkte aus fairem Handel anbieten. Mit rund 50 Geschäften sowie 25 Cafés und Restaurants ist diese Maßgabe in Bonn schon jetzt mehr als erfüllt.

Den Initiatoren der Bonner Bewerbung reicht das aber noch nicht. „Faire Produkte müssen noch mehr heraus aus den Ökonischen und allen Bevölkerungsschichten zur Verfügung stehen“, sagt Susanne Walia, Vorsitzende der zuständigen Steuerungsgruppe. Raus aus der Nische – rein ins Netzwerk: ein Gedanke, der sich in immer mehr Kommunen regt. Weltweit beteiligen sich bereits 750 Städte und Regionen aus 18 Ländern. Mit Wales existiert sogar eine „Fairtrade Nation“ – Großbritannien ist mit engagierten 450 Kommunen auch Vorreiter innerhalb der Städtekampagne. Doch mit Rom, Brüssel oder Kopenhagen ist bereits eine ganze Reihe europäischer Hauptstädte mit dabei.

Erste deutsche Fairtrade Town wurde im April 2009 Saarbrücken, inzwischen erfüllen 26 deutsche Städte die erforderlichen Kriterien, darunter etwa Hannover, Nürnberg oder Dortmund. Und die Liste der deutschen Fairtradestädte wird immer länger: So sollen während der Fairen Woche Rheda-Wiedenbrück, Wuppertal und der Rhein-Kreis Neuss als jüngste Mitglieder zertifiziert werden.

Das Tempo nimmt zu

Hierzulande organisiert der Verein TransFair, der auch das offizielle Fairtradeproduktsiegel vergibt, das Aufnahmeverfahren. „Das Tempo, in dem die Bewerbungen bei uns eingehen, hat eindeutig zugenommen“, sagt Kathrin Bremer, bei TransFair zuständig für die Fairtrade-Town-Kampagne, und: „Ich weiß von mehr als 90 Kommunen, die entsprechende Anträge vorbereiten.“ Die Auszeichnung helfe dem örtlichen Engagement für den fairen Handel deutlich, „vor allem Kooperationen mit Wirtschaft und Handel sind so leichter durchzusetzen“, so Brehmer.

Das Städtezertifikat wird befristet, für zwei Jahre, verliehen. Im April 2011, wenn diese Frist für die ersten Städte endet, will TransFair eine Evaluierung starten, wie sich die Fairtrade-Aktivitäten vor Ort weiterentwickelt haben, ein Fragebogen sei bereits in der Entwicklung, so Brehmer. „Wir wollen, dass sich die Städte immer neue Ziele setzen und ihr Engagement ausweiten.“

Das hat sich auch die Bonner Steuerungsgruppe vorgenommen. Die bisherigen Bemühungen werden einstweilen belohnt. Am 5. November soll der Stadt der neue Titel „Fairtrade Town“ verliehen werden – auf der internationalen Konferenz der Fairtradestädte, die in Bonn ausgerichtet wird. CHRISTOPH RASCH

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