: Traumhaft leere Strände auf dem Sinai
ÄGYPTEN Nach dem Anschlag in Taba rät das Auswärtige Amt von Reisen ab. Die touristischen Anlagen sind meist nur noch zu drei bis sieben Prozent ausgelastet. Auch für die Beduinen bedeutet das Einkommensverluste
DEUTSCHER TOURIST IM SINAI
AUS DEM SINAI KARIM EL-GAWHARY
„Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt. Dies gilt auch für den Badeort Taba.“ So lautet die neueste Reisewarnung des Auswärtigen Amts in Berlin für die ägyptische Sinai-Halbinsel. „Von Reisen in alle anderen Regionen der Sinai-Halbinsel wird dringend abgeraten, einstweilen auch in die Badeorte“, heißt es neuerdings dort weiter.
Die Reisehinweise wurden nach dem Anschlag auf einen Touristenbus in Taba aktualisiert und verschärft. Am 16. 2. hatte sich dort ein Selbstmordattentäter vor einem Touristenbus in die Luft gejagt. Er selbst, drei koreanische Touristen und der ägyptische Fahrer kamen dabei ums Leben.
20 Minuten südlich von Taba im Touristencamp Basata wirkt dieser Tage entgegen allen Warnungen alles friedlich und ruhig: zu ruhig. Vier Besucher aus Kairo sind gerade mal da und genießen die späten Nachmittagsstunden, als sich die umliegenden Berge am Golf von Aqaba und die saudische Küste in ein tiefes Rot tauchen. Früher musste man hier teilweise ein halbes Jahr im Voraus buchen, um noch einen Platz in den Strandhütten oder den Lehm-Bungalows zu ergattern.
„Heute sind wir, außer zu den ägyptischen Feiertagen, nur noch zu drei bis sieben Prozent ausgelastet“, sagt Aschraf, der in Basata am Empfang arbeitet. „Wenn wir zehn Prozent erreichen, fangen wir an zu feiern“, witzelt er. Schon vor dem Anschlag habe es kaum Besucher gegeben.
Ein paar Kilometer weiter südlich im Rock Sea Camp, ebenfalls an einem besonders malerischen Teil der Küste gelegen, kommt der junge Beduine Abdallah auf seinem Kamel ins Lager geritten. Fast jeden Tag sei er früher mit Touristen und seinen Kamelen in den umliegenden Bergen auf Wandertouren gegangen, erzählt er. „Wir kamen heim und haben gleich wieder für den nächsten Tag gepackt“, erinnert er sich. „Wenn es heute gut läuft, dann reiten wir vielleicht zwei-, dreimal im Monat mit Touristen aus.“
In der Küche arbeitet Hussein, bereits seit sieben Jahren. Er kommt aus dem Nordsinai, jenem Streifen Land zwischen dem Mittelmeerort al-Arisch und Rafah, der Grenze zum Gazastreifen, der sich in den letzten Jahren in eine Art ägyptisches Somalia verwandelt hat. Jenseits staatlicher Kontrolle treiben dort kriminelle Gruppen und militante Islamisten ihr Unwesen. Die ägyptische Armee befindet sich in einem Kleinkrieg mit al-Qaida-inspirierten Gruppen, in den auch die gesamte Bevölkerung hineingezogen wird.
Hussein hat vor Kurzem dafür gesorgt, dass seine Frau mit dem Baby aus seinem Dorf nach al-Arisch ziehen. Im Norden habe die Armee ständig bombardiert. Mit dem Anschlag in Taba hat dieser Kleinkrieg eine neue Stufe erreicht. Bisher waren Polizisten und Soldaten das Ziel von Angriffen. Jetzt waren es erstmals Touristen. Damit wurde die unsichtbare Grenze zwischen dem Nordsinai und dem von Touristen besuchten Süden der Sinai-Halbinsel verwischt. Das ist der Grund, warum die Reisewarnung verschärft wurde.
Hussein bleibt dagegen zuversichtlich. Er vertraut weniger auf die ägyptischen Sicherheitskräfte als auf die Beduinenstämme im Süden des Sinai, die seiner Meinung nach dafür sorgen werden, dass es hier ruhig bleibt. Schließlich lebten die meisten Beduinen dort direkt oder indirekt vom Tourismus.
Eine Beduinenfrau am Strand von Rock Sea hat gerade einen guten Tag. Sie sitzt auf dem Boden und hat auf einer Decke ihren selbstgemachten Schmuck ausgebreitet. Ganz in Schwarz gekleidet mit ihrem traditionellen Schleier über ihren Mund, feilscht sie mit einer Gruppe deutscher Reisenden um den Preis. Mit den wenigen Euro, die sie hier heute Morgen verdient, kann sie ihre Familie wieder eine Weile durchbringen. Nach beendetem Geschäft packt sie ihre Decke und ihren Schmuck zu einem kleinen Bündel zusammen und zieht sichtlich zufrieden ihres Weges.
Der Leiter der kleinen Reisegruppe, die sich hierher gewagt hat, ist Peter Wellkamp, der seit zehn Jahren Touristen hierher führt. Diesmal hätten zwei Drittel der Angemeldeten abgesagt, erzählt er. „Früher musste ich den Leuten absagen, weil ich nicht genug Kapazitäten hatte, heute sagen sie mir ab, weil sie Angst haben.“
Einer der Reisenden, Thomas Schwendele aus Schwäbisch Gmünd, hatte sich schon vergangenen Juni für die Reise angemeldet. „Als ich dann in den Nachrichten den zerfetzten Touristenbus sah und auch noch nachgesehen habe, wie nahe wir bei Taba sind, musste ich schon dreimal trocken schlucken“, sagt er. Er hat sich trotzdem entschieden zu kommen und gibt sich inzwischen trotzig. Auch in Deutschland könne man auf der Autobahn auf einen Geisterfahrer treffen. „Man kann immer zur falschen Zeit am falschen Ort sein“, meint er. Er sei vielleicht etwas aufmerksamer, aber ansonsten völlig entspannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen