: Schlechtes Design, schlechtes Gewissen
Das Leuchten des Apfels (1): Bei der Suche nach einem neuen Computer zählt Aussehen so viel wie innere Werte
Wirklich zufrieden war ich mit dem Computer, mit dem ich die letzten sieben Jahre verbracht hatte, nie gewesen. Schon gleich nach dem Kauf hatte mich das bonbonhafte Styling genervt. Und die Farbe, die ich gewählt hatte, schien blöder als die Farbe, die ich hätte gewählt haben können. Vor allem war der Computer zu laut. Lärmend verlangte er nach Aufmerksamkeit. Außerdem war er viel zu schwer, dominierte den Schreibtisch so sehr, dass man sich ständig irgendwie unwohl fühlte in seiner Gegenwart. Und dann war er immer langsamer geworden. Am Ende brauchte er sechs Minuten, um in Fahrt zu kommen.
Obwohl ich ihn nicht wirklich mochte, hielt er mir die Treue. Dann gegen Ende, als er irgendwie beatnikmäßig abgerockt aussah, war er mir durchaus sympathisch geworden. Meine plötzliche Zuneigung hatte aber wohl doch erst eingesetzt, als ich schon entschlossen gewesen war, ihn zu ersetzen. Nur wusste ich noch nicht genau, was ich haben wollte. Automatisch wollte ich nicht gleich wieder einen Mac kaufen. So fragte ich U.
U. ist Spezialist für so was und es macht ihm Freude, Menschen auf der Suche nach neuen Maschinen zu beraten. Freudestrahlend berichtete er von einem Sony-Gerät, das er einer Freundin besorgt hatte und das über ein ausgezeichnetes Preisleistungsverhältnis verfüge. Dies Gerät sei nur noch in zwei Berliner Geschäften erhältlich. Besonders lobte er den fantastischen Bildschirm.
Am gleichen Abend schauten wir uns das Exemplar der Freundin an. Es gab schön zu essen und C. berichtete aus ihrem Drogenberatungsalltag. Ihr Computer war superschnell, der Bildschirm großartig, aber irgendwie stieß mich das Design ab. Das Gerät sah aus wie ein billiger Plasmafernseher – und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil mir der Laptop nicht so gefiel, wie er mir hatte gefallen wollen.
Dann gingen wir ins NBI. Es war supergemütlich. Weiß leuchtete der Apfel auf der Rückseite der Laptops der Musikanten. Sobald einem diese Äpfel aufgefallen sind, muss man da immer hingucken. Offenbar lässt sich das Leuchten des Apfels nicht abschalten. U. war genervt, weil er gegen Apple ist. Ich war enttäuscht, weil ich immer mit Apple gearbeitet hatte und es würdelos fand, dass meine Computerfirma meinte, so aufdringlich für sich werben zu müssen. Draußen hörte man das Lied „Dschingis Khan“ aus einer Touristendisco. Ein blonde Frau rief, wir sollten mal tanzen. Wir rauchten aber nur und gingen dann wieder. Am nächsten Tag rief ich M. an, um ihn zu fragen, was für ein Gerät er mir empfehlen könne.
DETLEF KUHLBRODT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen