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Habemus gagam

Zum Papstbesuch gibt es eigens einen Papstsong

Es gehört zu den Mysterien der Menschheit und damit auch der Musikkritik, warum Kirche und Kommerz, Papst und Pop einander eigentlich so spinnefeind sind. Wie konnte es dazu kommen? Oder, um mit Greil Marcus zu sprechen: „When did it all go so fuckin’ terribly wrong?“

Aktuelle Ergebnisse der theologischen Forschung legen nahe, dass das tragische Schisma von Jesus Christus selbst ausgelöst worden ist. Auch wenn der Charismatiker heute als umjubelter Proto-Popstar ohne Allüren gilt, hat er doch nachweislich in einem seiner berüchtigten Wutanfälle die Händler „und ihre Kunden“ aus dem Tempel gejagt. Und backstage weiter randaliert, wie es sich für einen authentischen Diskurspopper gehört: „Die Tische der Geldwechsler stieß er um, ebenso die Stände der Taubenhändler.“ Mit seiner vorlauten Bemerkung, die Beatles seien inzwischen populärer als Jesus, hat rund 2.000 Jahre später John Lennon zusätzlich Öl ins Feuer gegossen.

Jetzt erst, und das ist die frohe Botschaft, wird die Kluft zwischen Tralala und Vatikan überbrückt. Und es ist der Pop, der anlässlich des bevorstehenden Besuchs von Benedikt XIV. in Bayern über seinen Schatten springt – mit der inoffiziellen Hymne „Habemus Papam“.

Das hitverdächtige Fließband-Eurodance-Download-Nümmerchen (www.papst-song.de) soll „den vielen jungen Menschen neue und zeitgemäße Möglichkeiten bieten, ihre Freude und ihre Gefühle begeistert auszudrücken“. Dafür haben zwei ölige Musikhändler aus München extra „ein paar echte Profi-Musiker und Songschreiber“ engagiert, um „in angemessener und professioneller musikalischer Harmonie“ ein ergreifendes Bekenntnis zum Papst und seiner ersten Enzyklika „Deus caritas est“ produzieren zu lassen: „Let love be our law / Let wings of hope carry us far / Let the world be lead by him“, schmettert da ein „bekannter, junger Künstler italienischer Abstammung“ und Finalist der TV-Show „Popstars“, wie es in der bescheidenen Pressemitteilung heißt.

Trotz des euphorischen Refrains („And speak out loud: habemus papam!“) werden auch weniger groovige Aspekte seiner Biografie behandelt: „He became a man in the hard hard times“, ohrwurmt es verständnisvoll über Ratzingers Zeit in der Hitlerjugend. Bei allem Tiefgang aber ist „Habemus Papam“ der ideale Chartbreaker für eine tiefgläubische Jugend, die noch an Keuschheit vor der Ehe und andere ewige Werte glaubt, „in ihrer Freizeit jedoch aktuelle Top-Hits“ hören will. Toter, nein, leichenstarrer Soul für Leute, die an die Unsterblichkeit der Seele glauben. Genial. ARNO FRANK

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