piwik no script img

Zur Not Gleichstrom

VON JÜRGEN VOGES

Der schwedische Energieversorger Vattenfall zieht nun doch für seinen deutschen Reaktor Brunsbüttel Konsequenzen aus dem Störfall im AKW Forsmark – allerdings nur halbherzige. Wie die schleswig-holsteinische Landessozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) gestern im Kiel mitteilte, hat Vattenfall dem Druck der Atomaufsicht nachgegeben und bei dem zuständigen Ministerium einen Antrag auf Änderung der Notstromversorgung des AKW gestellt. Künftig sollen auch in Brunsbüttel „die erforderlichen Notstromverbraucher unabhängig von vorhandenen Wechselrichtern“ dem Notstromnetz zugeschaltet werden können, erklärte Trauernicht gestern.

Eine völlige Umstellung der Notstromversorgung von Wechselstrom auf Gleichstrom ist damit nach Angaben von Vattenfall allerdings nicht verbunden. Offenbar sollen in Brunsbüttel auch künftig noch Wechselrichter, die Gleichstrom in Wechselstrom umwandeln, bei der Notstromversorgung zum Einsatz kommen.

Beim Störfall im schwedischen AKW Forsmark waren die Wechselrichter bei der Abtrennung des Meilers vom Netz durch einen Überspannungsstoß außer Funktion gesetzt worden. Vor allem dadurch wurde es anschließend auf der Warte dunkel und das atomare Feuer des Reaktors war zeitweise ohne Steuerung.

Die baulichen Veränderungen, die Vattenfall nun für Brunsbüttel beantragt hat, nimmt der AKW-Betreiber nicht freiwillig vor. Das Unternehmen hatte zunächst geleugnet, dass in Brunsbüttel Wechselrichter für die Notstromversorgung des AKW überhaupt eine Rolle spielen. Später stellte sich heraus, dass die Warte des Reaktors nur über Wechselrichter mit Notstrom versorgt werden kann.

Die Kieler Atomaufsicht machte daraufhin Druck. „Im Rahmen der aufsichtlichen Gespräche“ habe man Vattenfall aufgefordert, die Änderung der Notstromversorgung zu beantragen, erklärte Sozialministerin Gitta Trauernicht. Die Aufsicht verlangt von dem Betreiber, auch „bei Auskünften und Informationen“ zu Brunsbüttel „die Qualitätssicherung“ zu verbessern. Auf gut Deutsch wurde Vattenfall ermahnt, künftig über seinen Reaktor doch bitte wahrheitsgemäß zu berichten.

Vattenfall selbst legte allerdings in einer Erklärung Wert darauf, dass man bei Trauernicht keinen Komplettumbau der Notstromversorgung beantragt habe. Die Notstromversorgung solle „nicht komplett auf Gleichstrom umgestellt werden“, sagte Vattenfall-Geschäftsführer Bruno Thomauske. Das Notstromsystem solle lediglich durch eine Komponente ergänzt werden. „Eine Systemeinheit soll zusätzlich an eine bereits vorhandene Gleichstromversorgung angeschlossen werden“, meinte der Strommanager, der früher im Bundesamt für Strahlenschutz das Projekt „Endlager Schacht Konrad“ leitete.

In Brunsbüttel sei, anders als in Forsmark, ein übergreifender Ausfall von Wechselrichtern auszuschließen, behauptete er erneut. Das Anlagenkonzept in Brunsbüttel werde im Übrigen seit Jahren zwischen Betreiber und Aufsichtsbehörde diskutiert, um mögliche technische Verbesserungen zu erörtern, so Thomauske.

Nach Angaben der Reaktorsicherheitskommission steht bei diesen Debatten seit Jahren tatsächlich die Notstromversorgung im Mittelpunkt. Als einziges deutsches AKW hat Brunsbüttel nicht vier unabhängig arbeitende Notstromgeneratoren, sondern nur zwei unabhängige, deren Stromkreisläufen noch ein dritter zugeschaltet werden kann. Die Kommission kritisierte diesen Mangel schon vor Jahren.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen