Freigang für katholischen Spender: Ein beklagenswerter Zynismus
Es ist nur ein winziger Tropfen im breiten Strom der Meldungen über den umjubelten Papst-Besuch in Deutschland: Unbehelligt von der Justiz wird diese Woche der Lichtensteiner Treuhänder Herbert Blatliner zu Joseph Ratzinger nach Regensburg reisen können. Bei der medialen Überflutung mit verzückten Berichten werden viele die Nachricht über die Großherzigkeit der Staatsanwaltschaft in Bochum wohl nicht einmal wahrnehmen. Dabei ist sie in mancher Hinsicht bemerkenswerter als die unzähligen Beiträge in Ehrfurcht erstarrter Reporter. Wie schon beim Kölner „Weltjugendtag“ vergessen sie beim Anblick des von seinen Anhängern Benedikt XVI. genannten Oberhauptes der römisch-katholischen Kirche alle journalistischen Grundsätze und gliedern sich unkritisch in die Fangemeinde ein.
KOMMENTAR VON PASCAL BEUCKER
Was die kleine Meldung über Blatliner, der sich dank seiner katholischen Spendierfreude „Kammerherr seiner Heiligkeit“ nennen darf, so interessant macht: Sie erinnert daran, dass die Bochumer Staatsanwaltschaft nun bereits seit fast sechs Jahren gegen den umtriebigen Finanzjongleur ermittelt. Ein Ende ist nicht absehbar. Das erstaunt. Bei etlichen Klienten des zwielichtigen Rechtsanwalts, dessen undurchsichtiges Stiftungsgeflecht auch der CDU zu Zeiten Helmut Kohls zur Verschleierung illegaler Parteispenden diente, waren die Ermittler durchaus effizienter. Alleine im Zuständigkeitsbereich der Steuerfahndung Bochum konnten dank der Untersuchungen mehrere zehn Millionen Euro an hinterzogenen Steuern sowie an Geldbußen einkassiert werden.
Aber noch etwas anderes gibt zu denken. Offenbar gilt für die katholische Kirche weiterhin der Grundsatz: Geld stinkt nicht. Die Spenden von Leuten wie Blatliner nimmt sie gerne; woher deren Vermögen stammt, interessiert sie nicht. Leider gehört dies nicht zu den Zynismen, die Ratzinger bei seinem Deutschland-Trip mal wieder so wortgewaltig beklagt.
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