: Gen-Reis kam aus Bremen
Kontamination in Tests nicht aufgefallen. Bremer Importeur ruft Reis-Packungen zurück. Gen-Reissorte schon seit 2001 nicht mehr angebaut. Bayer beantragt Zulassung in EU
von Christian Jakob
Nach Gammelfleisch gibt es jetzt Gen-Reis – und zwar aus Bremen. Wie Anfang der Woche bekannt wurde, entdeckten staatliche Lebensmittelkontrolleure in Baden-Württemberg Verkaufsverpackungen mit gentechnisch verändertem Reis, der in Deutschland nicht verkauft werden darf. Seit gestern ist klar: Der Importeur kommt aus Bremen.
Nach Warnungen der US-Regierung vom 18. August waren in Süddeutschland 46 Proben von aus den USA importiertem Reis untersucht worden. In vier Proben stellte das Veterinäruntersuchungsamt Freiburg Bestandteile der gentechnisch veränderten Reissorte „LL601“ fest. In drei weiteren Fällen wurde gentechnisch verändertes Material einer noch unbekannten Entwicklungslinie entdeckt.
Der mit LL601 kontaminierte Reis wurde in Verpackungen der Marke „fit for fun Vollkornreis Marathon“ entdeckt. Er stammt aus einer Import-Charge von 380 Tonnen, die am 4. Oktober 2005 von der Bremer „Reismühle Rickmers“ nach Deutschland eingeführt wurde. Weshalb der Reis erst jetzt in den Verkauf gelangte, ist unklar. Rickmers-Geschäftsführer Rolf Eick wies gestern darauf hin, dass sein Unternehmen seit langem freiwillig jede aus den USA eintreffende Ladung auf Verunreinigungen mit Gen-Reis untersuchen lasse. Auch aus der nun aufgefallenen Charge wurde laut Eick von einem Hamburger Analyse-Labor eine Stichprobe von „vielleicht ein paar Kilo“ untersucht und für gentechnikfrei erklärt. Wie die nun festgestellte Belastung dem Labor entgehen konnte, vermochte Eick nicht zu sagen.
Greenpeace-Expertin Ulrike Brendel zufolge könnte dies auf eine zu kleine Stichprobe zurückzuführen sein. Labor und Unternehmen dürften jedoch nicht fahrlässig gehandelt haben. Die entsprechenden Empfehlungen für das Probenschema seien bisher zu niedrig angesetzt gewesen, so Brendel.
Gestern rief Rickmers alle Verpackungen aus der Gen-Charge zurück. Das Unternehmen kündigte an, an Großverbraucher künftig nur noch Reis aus Italien und Südamerika abzugeben. Für den Einzelhandel seien genauere Kontrollen, vor allem im Hinblick auf Verunreinigungen mit LL601 vorgesehen. Zudem gelte ohnehin seit August eine EU-Richtlinie, nach der US-Reis nur noch eingeführt werden darf, wenn die Chargen bereits in den USA auf Gen-Reis-Bestandteile untersucht worden sind.
LL (“Liberty Link“) 601 wurde vom Chemiekonzern Bayer entwickelt und von 1999 bis 2001 auf Versuchsfeldern in den USA getestet. „Liberty“ ist die Vertriebsbezeichnung für das Bayer-Herbizid Glufosinat. Der Gen-Reis LL601 ist gegen das Schädlingsvernichtungsmittel resistent und sollte Bauern im Paket mit dem Insektengift angeboten werden. Aus unbekannten Gründen wurden sämtliche Tests mit LL601 2001 eingestellt.
Das fünf Jahre später dennoch Anteile von LL601 in den Verkauf geraten konnten, bestätigt nach Ansicht der Düsseldorfer „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ (CBG), dass sich bei Freilandversuchen gentechnisch verändertes Material unkontrolliert freisetzt. „Konventionelle Anbauflächen werden von den Gen-Äckern durch Pollenflug kontaminiert. Dieser Prozess ist überhaupt nicht kontrollierbar“,so Phillip Mimkes, Sprecher der CBG. Die CBG rief die EU-Behörden gestern dazu auf, einen Bayer-Antrag für die Zulassung einer LL601 verwandten Gen-Reis Entwicklungslinie namens „LL62“ abzulehnen.
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