piwik no script img

Lehrer fühlen sich gescheucht

Nach den miesen Pisa-Ergebnissen will Bremens Bildungssenator Lemke die Schulen umkrempeln. Umsetzen müssen es die Lehrer vor Ort, zur Not in der Freizeit. Lemke kümmert das wenig

von Eiken Bruhn

Gutes Gehalt, sicherer Job und vor allem wenig Stress und viel Freizeit – diese Aussichten mögen vor einigen Jahren noch manch einen und eine bewogen haben, eine Lehramtsausbildung zu beginnen. Doch während die ersten beiden Kriterien nach wie vor für viele zutreffen – stressfrei ist die Arbeit längst nicht mehr, und die freie Zeit wird immer weniger. Sowohl junge Lehrer als auch altgediente Paukerinnen klagen über zunehmend schwierige Schüler sowie ein über ihre Köpfe wachsendes Arbeitspensum. Eine Studie nach der anderen stellt fest, dass Lehrer überdurchschnittlich oft an Burnout-Syndrom und psychosomatischen Krankheiten wie Tinnitus erkranken, Tendenz steigend.

Schuld daran ist, so diagnostizierte gestern der Personalrat der Bremer Schulen, der finanzpolitisch motivierte Stellenabbau und der gleichzeitig stattfindende Umbau der Schullandschaft als Folge der katastrophalen Pisa-Ergebnisse. „Nun macht mal“ sei die Botschaft, die LehrerInnen von ihrem Dienstherren, Bildungssenator Willi Lemke, empfangen würden, sagte gestern der Lehrer-Vertreter Herbert Wehe. Weitere Unterstützung gebe es nicht und vor allem keine zusätzlichen Stunden, mit denen sich die Vorgaben umsetzen ließen, kritisierte Wehe. Eine gestern vorgestellte Umfrage unter 744 LehrerInnen zu ihrer Arbeitsbelastung bestätige die Vermutung, dass die Unzufriedenheit der KollegInnen wachse. Danach gaben 83 Prozent der Befragten an, von den „zusätzlichen behördlichen Aufgabenstellungen“ überfordert zu sein.

Um die Überarbeitung und den Frust an den Schulen in Grenzen zu halten, forderte eine Personalversammlung der LehrerInnen deshalb vor zehn Monaten eine um vier Prozent erhöhte Stundenzuweisung – und biss damit bei Bildungssenator Lemke auf Granit. Der Antrag wurde als unbegründet und unzulässig zurückgewiesen. Wegen der Haushaltsnotlage des Landes Bremen sei eine bessere Personalausstattung nicht drin, so Lemke.

Abgeblitzt ist der Personalrat auch mit seiner wiederholt vorgetragenen Forderung, Lemke möge untersuchen lassen, wie es um die psychische und physische Gesundheit der Lehrkräfte im Land Bremen bestellt ist. Hämisch kanzelte Lemke die gestern vorgestellte Studie des Bremer Schulforschers Hans-Georg Schönwälder als „methodisch wenig überzeugend“ ab. Und: Er wisse auch ohne diese, „dass die Lehrerinnen und Lehrer eine anstrengende Aufgabe haben“. Immerhin räumte er eine erhöhte Arbeitsbelastung ein: „Ich habe den Lehrerinnen und Lehrern in den vergangenen Jahren viel zumuten müssen, weil es insbesondere nach PISA darum ging, die Leistungen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern.“ In deren Interesse, so der ehemalige Fußballmanager, trete er „nach wie vor dafür ein, die Anstrengungen für die Bildung zu erhöhen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen