: „Alles läuft auf ein zweites Ruanda hinaus“
Die grüne Außenpolitikerin Kerstin Müller fordert ein robustes UN-Eingreifen in Darfur und kritisiert die lasche Haltung von Bundesregierung und EU
taz: Frau Müller, was wäre ein realistischer Schritt auf internationaler Ebene, um die Lage in Darfur zu verbessern?
Müller: Das Ziel muss in jedem Fall sein, dass eine robuste UN-Truppe ins Land kommt. Die vorübergehende Aufstockung der AU-Mission hat das Problem, dass die Truppe ein Beobachtermandat hat. Man kann nicht weiter Truppen ins Land schicken, die beobachten, wie die Menschen ermordet und vertrieben werden. Man braucht eine robuste UN-Truppe. Die internationale Gemeinschaft darf hier mit dem Druck nicht nachlassen.
Wie könnte dieser Druck aussehen?
Eine Maßnahme wäre die glaubhafte Androhung personenbezogener Sanktionen gegen den Präsidenten und seine Entourage. Man hat ja die Namen derer, die verantwortlich sind für die Eskalation in Darfur. Im Moment läuft eine Militäroffensive. Im Verlauf dieser Offensive werden viele humanitäre Organisationen abziehen, und das könnte wirklich zu einer Tragödie führen. Die EU muss entschlossen mit Sanktionen vorangehen. Man darf nicht warten, bis alle UN-Sicherheitsratsmitglieder sich anschließen.
So weit war man schon vor zwei Jahren, und es ist nichts passiert …
Das ist ein Trauerspiel. EU-Kommissionschef Barroso war jetzt gerade da, aber ich habe nichts von ihm gehört, was das betrifft. Die EU spielt eine ganz wichtige Rolle im Sudan. Sie sollte endlich deutliche Worte gegenüber der Regierung finden. Es ist ein großer Fehler, dass man jetzt dabei ist, zu akzeptieren, dass die Sudanesen zur UN-Truppe Nein sagen.
Deutschland scheint nicht daran interessiert zu sein, da etwas voranzutreiben.
Ich habe den Eindruck, dass man das Thema Darfur seit dem Regierungswechsel kleinfährt. So hat die Bundeskanzlerin angekündigt, man würde bei einer UN-Truppe nicht dabei sein. Das war eine völlig kontraproduktive Äußerung in der Haushaltsdebatte. Bisher gibt es noch gar keine Anfrage seitens der UNO. Solche Äußerungen entlasten vorschnell Sudans Regierung.
Sollte Deutschland sich an einer robusten Intervention auch gegen Willen der sudanesischen Regierung beteiligen?
Alle sagen: Wir wollen kein zweites Ruanda. Aber was man hört, sieht danach aus, dass es auf ein zweites Ruanda hinausläuft: 300.000 Tote, mehr als zwei Millionen Vertriebene, und jetzt die Gefahr, dass die ganze Hilfsaktion abgebrochen wird, weil die Sicherheit der Helfer nicht gewährleistet werden kann. In einer solchen Situation eines schleichenden Völkermordes muss die internationale Gemeinschaft überlegen, ob sie nicht auch gegen den Willen der Regierung robuste Truppen stationiert.
Mit deutscher Beteiligung?
Wenn eine Anfrage der UNO kommt, darf Deutschland nicht Nein sagen, wenn das im Rahmen der Kapazitäten möglich ist. Wenn es eine robuste UN-Truppe geben wird, wird man dieses große Land nicht nur mit Truppen überwachen können. Man wird modernstes logistisches Gerät brauchen oder auch eine Flugverbotszone kontrollieren müssen.
INTERVIEW: DOMINIC JOHNSON
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