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Der Fragen-Händler

ERMITTLUNGEN GEGEN RICHTER

In einem Vier-Sterne-Hotel, mit 30.000 Euro in bar, einer geladenen Pistole und einer jungen Frau, so wurde der niedersächsische Richter Jörg L. Anfang der Woche in Mailand aufgegriffen. Mit internationalem Haftbefehl hatte die Staatsanwaltschaft Verden den 48-Jährigen suchen lassen, der im Verdacht steht, mit Jura-Examensfragen samt Lösungen gehandelt zu haben.

Als Referatsleiter im Landesjustizprüfungsamt (LJPA), das die Jura-Staatsexamen in Niedersachsen organisiert, hatte er Zugriff auf die Klausurfragen wie auf die Daten der Prüflinge. Gezielt soll L. die angehenden Juristen persönlich kontaktiert haben. Seine bevorzugte Zielgruppe: Prüfungswiederholer, die laut Justizministerium rund zehn Prozent der etwa 700 Prüflinge pro Jahrgang ausmachen. Gut 2.000 Examen, die seit L.s Abordnung ins LJPA 2011 geschrieben wurden, lässt das Ministerium nun auf Unregelmäßigkeiten prüfen.

Ein Fall, wie ihn sich der Vorsitzende des niedersächsischen Richterbundes, Andreas Kreutzer, nach eigenem Bekunden nicht hätte vorstellen können. Niedersachsens schwarz-gelbe Landtagsopposition wittert einen Skandal um Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne). Wegen unbestätigter Medienberichte, nach denen L. aus Justizkreisen vor Ermittlungen gewarnt worden sei, fordert die FDP eine Unterrichtung des Landtags.

Niewisch-Lennartz Sprecher hingegen weist die Vorwürfe zurück: L. habe zufällig gewarnt worden sein können – schlicht im Zuge seiner Tätigkeit beim LJPA. So sei L. mit im Raum gewesen, als im Januar eine Referendarin beim LJPA anrief und berichtete, dass ihr Klausurfragen angeboten worden waren. Dass L. danach womöglich mit Ermittlungen rechnete, sei „nur plausibel“, erklärt der Ministeriumssprecher.

So kam es auch: Nach dem Hinweis wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die ermittelt mittlerweile nicht nur gegen den mutmaßlich korrupten Richter L. Auch ein Repetitor und mehrere Rechtsreferendare stehen im Fokus. Näher beziffern mag die Staatsanwaltschaft die Zahl der Verdächtigen derzeit nicht. „Das ändert sich ständig“, sagt ein Sprecher, „wie viele es am Ende werden, können wir überhaupt nicht absehen.“ THA

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