Wahltaktik und neue Einsichten: Holland: Soziale Wahlgeschenke
VON CLARA ROSENBACH
So verbraucherfreundlich und sozial angehaucht wie in diesem Jahr war der Haushaltsentwurf der niederländischen Mitte-rechts-Koalition in den letzten Jahren nie. Der Wirtschaftsprofessor an der Amsterdamer Universität Bernard van de Praag bezeichnet ihn gar als „rosig“. Und das hat einen aktuellen Grund: Am 22. November wird das Parlament neu gewählt, die Regierung will die Wähler milde stimmen.
Aber auch mit diesem Hintergrund bleibt eines festzuhalten: Die Christdemokraten von Premier Balkenende haben in den vergangenen Jahren zwar zahlreiche, unbeliebte Reformen durchgeführt, aber dabei den sozialen Zusammenhalt des Landes nie aus den Augen verloren. Ein Beispiel: Die Gesundheitsreform zu Beginn dieses Jahres. Die Regierung krempelte das Gesundheitssystem grundlegend um. Die staatlichen Versicherungen wurden privatisiert. Einen Unterschied – auch in den Leistungen – zwischen gesetzlich und privat Versicherten gibt es also nicht mehr. Und: Alle Niederländer zahlen eine Kopfpauschale für ihre Gesundheitsversorgung. Aber die Christdemokraten beharrten auch auf einem zusätzlichen einkommensabhängigen Beitrag, um so für einen sozialen Ausgleich zu sorgen. Ein Modell, das durchaus auch bei Gesundheitsexperten in Deutschland Anklang findet.
Aber das ist nicht der einzige Punkt. Auch die Kinderbetreuung liegt den Christdemokraten in Den Haag am Herzen. In ihrem Wahlprogramm heißt es zwar, die Versorgung der Kinder sei vorrangig die Aufgabe der Eltern. Aber es sei ebenso wichtig, sie dabei zu unterstützen und Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Der Preis für Kinderbetreuung hängt deshalb vom Einkommen der Eltern ab. Arbeitnehmer und -geber müssen sich daran zu gleichen Teilen beteiligen. Im letzten Jahr gab das Kabinett zusätzlich 200 Millionen Euro aus, um auch schlechter Verdienenden die Kinderbetreuung zu ermöglichen. Und im kommenden Jahr soll die Betreuung noch preiswerter werden.
Die sozialen Segnungen kann sich der Staat leisten. Dank florierender Wirtschaft und niedriger Arbeitslosigkeit rechnet der Wirtschaftsminister für 2007 mit einem Haushaltsüberschuss von rund 0,5 Prozent. So dürfen sich die privaten Haushalte im kommenden Jahr über eine Senkung der Abgaben von durchschnittlich 115 Euro freuen. Das Kindergeld soll um 35 Euro im Jahr angehoben werden. Dass die soziale Politik bei den Wählern allerdings gut ankommt, steht auch bei der Opposition außer Frage. Im NRC Handelsblad sagte Wouter Bos, Fraktionschef der Sozialdemokraten, er schätze die Chancen für einen Regierungswechsel als „sehr gering“ ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen