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Briten nehmen Atommeiler vom Netz

Großes Abschalten: Im AKW Hunterston B in Schottland treten 90 Defekte auf. Leitungen haben Risse. Auch bei den Meilern Hinkley Point B in Somerset und Hartlepool in Cleveland werden Schäden entdeckt. Umweltschützer: „Atomindustrie unfähig“

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Ein einziges britisches Atomkraftwerk funktioniert noch einwandfrei. Zum Feiern war der britischen Atomindustrie gestern nicht zumute. Zwar hat Königin Elisabeth vor genau 50 Jahren den ersten Atomreaktor eröffnet. Doch Calder Hall in Windscale, das später in Sellafield umbenannt wurde, ist längst geschlossen. Jetzt müssen weitere Atomkraftwerke vom Netz, zumindest vorübergehend.

British Energy, der größte britische Stromanbieter, gab am Montagabend bekannt, dass im schottischen AKW Hunterston B 90 Defekte aufgetreten seien. Es sind vor allem Risse in den Leitungen. Neben Hunterston sind noch Reaktoren betroffen: Hinkley Point B in Somerset und Hartlepool in Cleveland. Die Risse in Hinkley Point liegen „im oberen Bereich der bisherigen Erfahrungen“, sagte ein Sprecher von British Energy. In Hartlepool stellte das Unternehmen ein Leck im unterirdischen Kühlsystem fest. Zwei der dortigen Reaktoren waren bereits im vorigen Monat abgeschaltet worden und sollten eigentlich nächsten Monat wieder angehen.

Bei anderen AKW sieht es nicht besser aus: Heysham 1 läuft aus Sicherheitsgründen mit reduzierter Kapazität, bis eine Untersuchung abgeschlossen ist. Sizewell B, der neueste Reaktor, wurde zur Wartung abgeschaltet. Und Dungeness hat Treibstoffprobleme. Lediglich Torness läuft einwandfrei.

British Energy erklärte, dass man jetzt Strom dazukaufen müsse. Das Unternehmen deckt rund ein Fünftel des britischen Energiebedarfs ab. Die Hiobsbotschaften haben für einen Sturz des Aktienpreises um fast ein Viertel gesorgt. Die Regierung hatte wohl schon länger von Problemen gewusst: Eigentlich wollte sie im September eine Werbekampagne für den Verkauf von 65 Prozent von British Energy starten. Die Pläne wurden jedoch ohne Begründung eingemottet.

Die British Nuclear Group (BNG), die für die Ausmusterung der Atomanlage Sellafield im Nordwesten Englands zuständig ist und nächstes Jahr auch privatisiert werden soll, hat ebenfalls Ärger. BNG wurde am Montag von einem Gericht im nordenglischen Carlisle wegen Fahrlässigkeit zur Zahlung von 500.000 Pfund plus Gerichtskosten verurteilt. In der Thermaloxid-Wiederaufbereitungsanlage (Thorp) in Sellafield sind rund 83.000 Liter eines hochaktiven Uran-Plutonium-Gemischs ausgetreten. Jean McSorley, Atomexpertin von Greenpeace, sagte: „Diese Strafe belegt die Unfähigkeit der Atomindustrie.“

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