piwik no script img

Rekord bei Telefonüberwachung

Der Staat hört mit: Im vergangenen Jahr ließen die deutschen Behörden öfter denn je die Kommunikationsmittel von Bürgern überwachen. Mehr als 42.000 Handys belauscht

BERLIN taz ■ Noch nie wurden in der Bundesrepublik Deutschland so viele Telefone, Fax- und Internetanschlüsse überwacht wie im Jahr 2005. Wie das Bundesjustizministerium jetzt auf eine Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele mitteilte, wurden im vergangenen Jahr bei den Telekommunikationsunternehmen insgesamt 42.508 Überwachungsanordnungen registriert. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung von mehr als 45 Prozent (2004: 29.017). In 7.493 Fällen handelte es sich dabei um Anordnungen aus dem Vorjahr, die 2005 verlängert wurden.

Die Dienstleister in der Telekommunikationsbranche sind gesetzlich verpflichtet, Überwachungsmaßnahmen der Behörden durchzuführen und darüber eine Statistik zu führen. Gesammelt werden die Zahlen bei der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen. Danach waren 2005 von den Überwachungsmaßnahmen 49.226 Anschlusskennungen (20 Prozent mehr als 2004) betroffen. Die Zahl der tatsächlich abgehörten Personen lässt sich aus der Statistik nicht erkennen, sie liegt aber deutlich höher als die Zahl der überwachten Anschlüsse.

Mit 365 Anordnungen liegen die Zahlen für den Bereich der E-Mail-Anschlüsse und mit 193 für Internetanschlüsse relativ niedrig. Dem gegenüber stehen 42.011 Handy-Nummern, die im Auftrag von Polizei, Staatsanwaltschaft oder Geheimdiensten überwacht wurden.

Der langjährige Trend zur verstärkten Überwachung der Telekommunikation hat sich nach den neuen Angaben unvermindert fortgesetzt. So hatte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, schon 2005 die stark gestiegene Zahl an Telefonüberwachungen beklagt. Zwischen 1995 und 2004 sind nach seinen Ausführungen die Anordnungen zum Abhören um mehr als 500 Prozent gestiegen.

Im Bereich der Bundesanwaltschaft und bei den Bundesländern wurde nach Auskunft des Justizstaatssekretärs Alfred Hartenbach in 4.925 Ermittlungsverfahren (2004: 4.712) die Überwachung der Telekommunikation angeordnet. Die Zahl der betroffenen Personen wird dabei mit 12.606 (2004: 11.857) angegeben. Spitzenreiter ist mit 885 Lauschanordnungen Bayern, gefolgt von Baden-Württemberg (777) und Nordrhein-Westfalen (485). Mit 61 Anordnungen ist Bremen Schlusslicht. In nahezu sieben von 10 Fällen wurden die Überwachungsmaßnahmen wegen einer Straftat gegen das Betäubungsmittelgesetz erlassen.

WOLFGANG GAST

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen