portrait: Der ausgezeichnete Regimekritiker
Ich kämpfe nicht gegen Präsident Lukaschenko, sondern für Ideen, die von der täglichen Propaganda entstellt werden“, sagte Alexander Milinkewitsch unlängst in einem Interview. Der Kampf des Chefs der weißrussischen Opposition dürfte jetzt Auftrieb bekommen: Gestern beschlossen der Präsident sowie die Fraktionschefs des EU-Parlaments, Milinkewitsch mit dem diesjährigen Sacharow-Menschenrechtspreis auszuzeichnen. Zur Begründung hieß es, der 59-Jährige sei für „seinen gewaltlosen und mutigen Widerstand gegenüber der totalitären Regierung Weißrusslands“ nominiert worden.
Mut braucht es in der Tat, um einem Regime zu trotzen, in dem Kritiker umgebracht und verhaftet werden oder manchmal einfach „verschwinden“. Auch Milinkewitsch durfte bereits derartige Erfahrungen machen. Im vergangenen April war er wegen Beteiligung an einer nicht genehmigten Demonstration 15 Tage lang inhaftiert worden und damit noch glimpflich davongekommen. Zwei andere Oppositionspolitiker erhielten für das gleiche „Vergehen“ mehrjährige Haftstrafen und befinden sich derzeit im Hungerstreik.
Der vollbärtige Milinkewitsch ist ein Newcomer in der weißrussischen Politikszene. Nach seiner Promotion in Physik leitete der verheiratete Vater zweier Kinder von 1980 bis 1984 den Lehrstuhl für Physik an der Universität von Sétif in Algerien. Dem schlossen sich Gastdozenturen in Montpellier und Kalifornien an.
Von 1990 bis 1996 war Milinkewitsch Bürgermeister seiner Heimatstadt Hrodna. Im gleichen Jahr übernahm er den Vorsitz der Nichtregierungsorganisation Ratuscha, die 2003 verboten wurde. 2001 leitete er die Wahlkampagne von Sjamjon Domasch, der gegen Lukaschenko antrat.
Dass der ehemalige Profi-Basketballspieler fortan mit einem Bein im Knast stehen würde, dürfte ihm im Oktober 2005 gedämmert haben. Da stellten ihn mehrere Oppositionsparteien und Nichtregierungsorganisationen als Kandidaten für die Präsidentenwahlen im März dieses Jahres auf. In der so genannten Stichwahl brachte er es auf 6 Prozent gegenüber 82 Prozent für Lukaschenko.
Zwar blieb ein ukrainisches Szenario nach den gefälschten Wahlen aus. Dennoch gelang es Milinkewitsch, tagelang zehntausende Menschen auf die Straße zu bringen. Am 24. März löste die Polizei die Proteste auf.
Doch trotz Drohungen und Rückschlägen: Aufgeben will Milinkewitsch nicht. Derzeit versucht er, verschiedene Oppositionsgruppen zu einem Bündnis zusammenzuschweißen – kein leichtes Unterfangen. Denn einer seiner größten Gegner dabei ist nicht die Staatsmacht, sondern die Angst der Menschen. BARBARA OERTEL
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