: „Ein Croissant ist Handwerk mit Anspruch“
AKTIONSWOCHE Bio-Backstuben öffnen für Besucher: Bäcker Wolfgang Fandrich über den Preis für gutes Brot und die Grenzen eines Geschäftsmodells
■ 62, ist Inhaber der Bio-Bäckerei endorphina Backkunst in Neukölln. Er verkauft auch auf Wochenmärkten, u. a. samstags auf dem Bötzow-Markt.
INTERVIEW NINA APIN
taz: Herr Fandrich, Sie sind Biobäcker in Neukölln. Wie geht es Ihrer Branche – genauso schlecht wie den konventionellen Kollegen, die das Bäckersterben dahinrafft?
Wolfgang Fandrich: Unsere Kunden wissen es zu schätzen, dass wir das Bäckerhandwerk aufrechterhalten, das in Zeiten von Aufbackbrötchen und Discounterware fast ausgestorben schien. Dazu kommt, dass wir ausschließlich Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau, möglichst aus der Region, verwenden. Immer mehr Menschen wollen natürliche Lebensmittel, die gut verträglich und umweltschonend hergestellt werden und schmecken. Es ist aber auch abzusehen, dass es Konzentrationprozesse geben wird – so wurde die insolvente Ufa-Bäckerei Anfang des Jahres von der LPG gekauft.
Zusammen mit 15 anderen Biobäckereien öffnen Sie kommenende Woche Ihre Backstube. Schätzen die Berliner Ihre Handwerkskunst nicht genug?
Die Akzeptanz unserer Arbeit zeigt sich auch darin, dass wir insgesamt 650 Mitarbeiter und 58 Azubis beschäftigen und täglich etwa 22.500 Brote herstellen. Wir haben einen treuen Kundenstamm, der von der Art, wie wir backen, überzeugt ist: sorgfältig ausgewählte Biorohstoffe aus der Region, behutsame Verarbeitung, faire Löhne für Bauern, Lieferanten und Mitarbeiter. Wir wollen den Berlinern die Vielfalt unserer Backwaren präsentieren und die Hemmschwelle abbauen, die bei einigen Menschen vor Bio besteht.
Angst haben viele wohl vor allem vor den Preisen: Was kostet ein Croissant bei Ihnen im Laden?
Zwischen 1,20 Euro und 1,50 Euro.
Das können sich nur Gutverdiener leisten …
Ein handgefertigtes Croissant ist ein handwerklich anspruchsvolles Lebensmittel – und es hat kein unbegrenztes Haltbarkeitsdatum, es schmeckt vormittags am besten. Auch unsere 15 verschiedenen Sauerteigbrote kommen ohne Hefe und ohne Zusatzstoffe aus. Das alles kommt besonders Allergikern entgegen. Klar kostet so ein Produkt seinen Preis. Was viele vergessen: Der Nährwert ist wesentlich höher als bei einem industriell hergestellten Brot. Es macht schneller satt, somit relativiert sich auch der Preis.
Geht Ihnen eigentlich manchmal das Brot aus? Handgebackenes kann man ja nicht so schnell nachbacken, oder?
Was wir tagüber und nachts herstellen, verkaufen wir morgens. Erst am nächsten Tag fangen wir wieder an, neues Getreide zu verarbeiten. Stündlich frische Backwaren anzubieten ist nicht unser Bestreben. Dieses 24-Stunden-Verlangen nach Frische können und wollen wir nicht bedienen, dann müssten wir Konservierungstoffe nehmen und auf Vorrat produzieren: Tiefkühlware oder halbfertige Teiglinge. Das will ich nicht. Deshalb sind unserem Geschäftsmodell natürliche Grenzen gesetzt: Reich wird man mit dem, was ich tue, nicht wirklich.
Das wird man nur, wenn man expandiert. Können große Ketten wie die LPG oder Bio Company überhaupt noch qualitativ hochwertige Biowaren anbieten?
Die großen Biobäckereien haben sich bewusst größer aufgestellt, um die stetige Nachfrage in den Biosupermärkten oder den eigenen Filialen zu decken. Die Produktionsweise in der Landwirtschaft wird sich nur dann nachhaltig ändern, wenn Produkte des alltäglichen Bedarfs in guter Qualität, aus biologischem Anbau und zu einem fairen Preis hergestellt und angeboten werden. Dazu braucht es auch Biobäckereien, die mit sinnvoll eingesetzter Technologie mehr Backwaren herstellen und vertreiben können als ein handwerklicher Betrieb wie wir. Die Akzeptanz beim Kunden wird uns aber nur gelingen, wenn wir die Produktion unserer Lebensmittel transparent machen – die ökologischen wie die sozialen Kriterien, unter denen produziert wird.
Dafür dürften Sie ab Montag bei der Woche der offenen Backstuben sicher ausreichend Gelegenheit haben. Was werden Sie und Ihre Kollegen den Besuchern bieten?
Es wird Führungen durch die einzelnen Betriebe geben, einen Brotback-Workshop, den „Brot & Spiele“-Abend am Freitag mit Brettspielen und Verköstigungen aus der Backstube. Und natürlich auch unseren ersten Bäckerbrunch am Sonntag. Besonderes Highlight wird am Donnerstag die Autorinnenlesung der Slow-Food-Aktivistin Ella Danz. Sie wird aus ihrem neuen Krimi „Der Unglückskeks“ lesen.
Und was gibt’s dazu?
Suppe … und Brot natürlich.
■ Woche der offenen Backstuben, vom 5. bis zum 11. Mai in 16 Berliner Biobäckereien. Programm: www.berliner-bio-baecker.de
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