: „Alles kommt auf so viel an“
Zum 100. Geburtstag des irischen Dramatikers: Ein Gespräch mit Samuel Beckett über seinen Aufenthalt in Hamburg vor 70 Jahren, die Präsenz der Nationalsozialisten in der Stadt und die Schwierigkeiten, in einer fremden Sprache zu schweigen
taz: Herr Beckett, wie gefällt Ihnen die Idee, Ihren Aufenthalt in Hamburg künstlerisch nachzuvollziehen?
Samuel Beckett: Alles kommt auf so viel an.
Nehmen Sie es den Hamburgern noch immer übel, dass man Sie wegen Ihres Ledermantels aus dem Casino warf?
Da wirklich keine Befugnis an diesem Ort um gar nicht von dem ekligen Äußern zu sprechen daher dieses Umherblicken dies eine Mal auf deine elenden Mitmenschen Gott dankend dies eine Mal so schlecht und wer weiß was du warst nicht wie sie.
Sie hatten leider auch Pech mit Ihren Unterkünften.
No fließendes Wasser, no Zentral Heizung, nothing.
Immerhin hat Ihnen die Kunsthalle gefallen.
Fine building and superb presentation. Some good French stuff, Courbet, Renoir, Manet …
Und der Rest der Stadt?
No Stimmung auf der Reeperbahn. Pouring rain and bitter cold. Very dull and disappointing.
Sie haben aber doch durchaus ein bisschen Deutsch gelernt.
Even to listen is an effort, and to speak ausgeschlossen. How absurd, the struggle to learn to be silent in another language. Like a deaf man investing his substance in Schalplatte, or a blind man with a Leica.
Immerhin haben Sie doch einige private Kontakte knüpfen können. Denken Sie an die Bekanntschaften unter den Hamburger Künstlern und Künstlerinnen, zum Beispiel Karl Kluth, den Sie in seinem Atelier besucht haben.
Competent. Couple of Good Frauenacts. A pretty Schülerin there.
Aus Ihren Avancen um Ilse Lynn Schneider wurde ja nichts. Die beschrieb Sie als „komischen jungen Mann“ und „zu drängend“.
She is a pleasant disappointment.
Sie wurden dann von anderen eingeladen. Erinnern Sie sich noch daran?
Wild Feier with Frau Hoppe (aus Posen) dabei Rheinpfalz and the ewige Kuchen.
Ihre Malerfreunde gehörten zur ehemaligen Hamburgischen Sezession, die sich 1933 weigerte, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen und dann selbst auflöste. Wie stark haben Sie bei Ihrem Besuch 1936 die Nationalsozialisten wahrgenommen?
Alle Klowärter sagen Heil Hitler.
Und in den Zeitungen?
The usual song about the „Verhetzungskünste“ der Moskauer „Judenclique“.
In den Salons, die Sie besuchten, wurden Hitler-Witze erzählt. Erinnern Sie sich noch an einen?
Führer ohne Frau, Bauer ohne Sau, Volk ohne Fleisch, das ist …
Vielleicht ist es auch einfach zu lange her, als dass Sie es noch wissen könnten. Haben Sie Hamburg trotz allem in guter Erinnerung behalten können?
Es ist einsam gewesen, seit ich fort von Hamburg bin, aber auf so eine freundliche Weise, daß es mir nicht einmal eingefallen ist, nach dem zu suchen, was man „Anschluß“ nennt. Freilich denke ich öfter an diejenigen in Hamburg, die einem Fremden und Unbekannten so viele Freundlichkeit erwiesen haben.
INTERVIEW: FRIEDERIKE GRÄFF
Antworten unter Zuhilfenahme der Hamburger Tagebucheintragungen und Briefe Becketts. Zitiert nach: Roswitha Quadflieg, „Beckett was Here. Hamburg im Tagebuch Samuel Becketts von 1936“, Hamburg 2006.Unter dem Motto „Beckett in town“ finden in Hamburg zahlreiche Theateraufführungen, Lesungen und Ausstellungen statt. Seit gestern und bis morgen veranstaltet die Universität Hamburg das Symposium „Die Stadt als Inspirationsquelle. Becketts Reisestation Hamburg“. Mehr Informationen unter: www.beckett-in-hamburg.de
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