: Unsere Leidmedien
ANALYSE Überregionale Blätter kriseln mehr denn je – Bilanzen belegen es
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VON KARL-HEINZ RUCH
Nach jedem Quartal und mit jeder neuen Auflagenerhebung berichten die PR-Dienste der Medienwirtschaft über den weiteren Fall der gedruckten Zeitungsauflagen. Wer es genauer wissen will, wie sich die wirtschaftliche Situation der Verlage angesichts kontinuierlicher und dramatischer Anzeigen- und Auflageneinbrüche entwickelt, muss etwas Geduld mitbringen, findet dann auf der Internetpräsenz des Bundesanzeigers www.bundesanzeiger.de umfassende und interessante Informationen.
Dort werden die Jahresabschlüsse deutscher Unternehmen veröffentlicht. Die Trends sind eindeutig. Besonders die überregionalen Leitmedien leiden: Bei den Verlagen fallen die Anzeigenerlöse schneller, als die des Vertriebs steigen, und das tun sie auch nur in Folge höherer Verkaufspreise. Im Ergebnis zeigen sich durchweg rote Zahlen.
Gerade wurde der Jahresabschluss der Frankfurter Allgemeine GmbH (FAZ) für das Jahr 2012 veröffentlicht. Im verbindlichem Bilanzbuchhalterton heißt es: „Im Berichtsjahr gingen die Umsatzerlöse um 5,9 Prozent auf EUR 260,2 Mio zurück. Die Vertriebserlöse wuchsen vor allem durch Preiserhöhungen um 1,5 Prozent auf EUR 153,0 Mio. Die Werbeumsätze aus dem Print- und Online-Geschäft fielen deutlich um EUR 18,7 Mio auf EUR 101,6 Mio. Hier sind insbesondere die negative Entwicklung des Stellenmarkts sowie des Werbemarkts in der F.A.Z./F.A.S. mit zum Teil zweistelligen Verlustraten zu nennen. Die sonstigen Umsatzerlöse erhöhten sich leicht um 1,3 % auf EUR 5,6 Mio. Das Geschäftsjahr der F.A.Z. GmbH schließt mit einem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von EUR -4,4 Mio. ab.“
Die Prognose ist wenig optimistisch: „Wegen der stagnierenden Anzeigenerlöse werden die eingeleiteten Kostensenkungsmaßnahmen kurzfristig nicht ausreichen, um in den Jahren 2013 und 2014 ein positives Betriebsergebnis sicherzustellen.“
Der Hauptkonkurrent der FAZ, die Süddeutsche Zeitung (SZ), ist mit Regionalzeitungen wie der Stuttgarter Zeitung eingebunden in den Konzern Südwestdeutsche Medien Holding GmbH (SWMH). Auch hier bilanziert der Ton negativ: „Die operative Ertragskraft des Konzerns lag im Geschäftsjahr 2012 unter Vorjahr. Nach Bereinigung einmaliger Belastungen durch außerplanmäßige Abschreibungen von 1,4 Mio. EUR (Vorjahr 22,0 Mio. EUR) verschlechterte sich das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gegenüber dem Vorjahr (bereinigt) um rd. 16,6 Mio. EUR. Das Konzernergebnis verbesserte sich bei außerordentlichen Aufwendungen (0,9 Mio. EUR) sowie Steueraufwendungen von 7,8 Mio. EUR auf -13,8 Mio. EUR nach -22,9 Mio. EUR im Vorjahr. Die Umsatzerlöse des Konzerns verminderten sich gegenüber dem Vorjahr um 3,2 Prozent bzw. 31,5 Mio. EUR auf 955,1 Mio. EUR. Der Rückgang betrifft mit rd. 35,0 Mio. EUR den Werbemarkt, während die Umsätze im Lesermarkt um 5,8 Mio. EUR über Vorjahr liegen.“
Zwei andere überregionale Marktführer, das Handelsblatt als täglicher Wirtschaftstitel und die Zeit als führende Wochenzeitung, werden gemeinsam mit dem Berliner Tagesspiegel im Konzern DvH Medien GmbH bilanziert. Auch hier stehen im Jahr 2012 wachsende Vertriebsumsätze aus Preiserhöhungen mehr oder weniger starken Anzeigenrückgängen gegenüber. Beim Verlag des Handelsblatts fallen Anzeigenerlöse um 14,5 Prozent auf 79,7 Mio. Euro, während die Vertriebserlöse auf 67 Mio. Euro um 8,5 Prozent steigen. Der Zeit-Verlag verliert nur gering Anzeigenumsatz auf 61,1 Mio. Euro und steigert die Vertriebserlöse auf 74,6 Mio Euro um 6,5 Prozent.
Der Tagesspiegel verliert 15,6 Prozent Anzeigenerlöse und kommt auf 33,9 Mio. Euro, während seine Vertriebserlöse auf 36,1 Mio. Euro um 1 Prozent steigen. In toto weist die DvH Medien GmbH für 2012 einen Konzernverlust von -19,8 Mio. Euro aus, nach -15 Mio. im Vorjahr.
Zwischen dem Boulevard und den Regionalzeitungen haben die überregionalen Abozeitungen, Träger von Qualitätsjournalismus, schon immer besondere Bedeutung für die publizistischen Kultur in Deutschland. Es gibt Grund, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Schon die Insolvenzen der Frankfurter Rundschau und der FTD waren ein Hinweis auf die besonders harten Bedingungen in diesem Segment des Zeitungsmarktes. Das Profil der meinungsbildenden Überregionalen verträgt keine Operationen, wie sie die Regionalzeitungen mit dem Auslichten oder Zusammenlegen ihrer Redaktionen kostensparend vornehmen oder es getan haben.
Der vertriebliche Aufwand der überregionalen Zeitungen ist nun mal per se hoch. Wie weit ihre LeserInnen bereit sind, solchen Aufwand mit immer höheren Abonnementspreisen zu bezahlen, bleibt die spannende Frage der Zeit. Solange es keine Lösung für ein digitales Geschäftsmodell für Qualitätsjournalismus gibt, müssen die Verlage weiter von der Substanz leben.
■ Karl-Heinz Ruch, 60, ist seit 35 Jahren Geschäftsführer der taz.
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