piwik no script img

„Länder haften für die Sender“

STAATSFERNE Kurt Beck über die Verfassungsklage der SPD, Unterschiede zu den Grünen und darüber, warum Politiker trotzdem in den Gremien der Öffentlich-Rechtlichen sitzen sollten

Die Hintergründe der Klage

■  Die Vorgeschichte: 2009 hat der ZDF-Verwaltungsrat, dem allein fünf amtierende oder ehemalige Ministerpräsidenten sowie Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) angehören, auf Betreiben der Unionsparteien den langjährigen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender abgesägt.

  Die Klage: Jetzt soll auf Antrag von Rheinland-Pfalz das Bundesverfassungsgericht prüfen, wie es um die „Staatsferne“ im ZDF und seinen Gremien bestellt ist.

  Die andere Klage: Auch die Bundestags-Grünen wollen in Sachen ZDF Karlsruhe anrufen, brauchen aber noch Stimmen aus der SPD – die diese ihnen nicht geben will.

INTERVIEW STEFFEN GRIMBERG

taz: Herr Beck, wie weit ist das Normenkontrollverfahren in Sachen ZDF-Staatsferne?

Kurt Beck: Die Vollmachten sind unterschrieben, die Klage wird noch heute eingereicht.

Auch die Grünen wollen in Karlsruhe klagen. Woran ist ein gemeinsames Vorgehen mit Ihrer Partei gescheitert? Mit Blick auf die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz haben Sie von vielen „Schnittmengen“ mit den Grünen gesprochen. Gilt das nicht für die Medienpolitik?

Das gilt für weite Bereiche der Medienpolitik. Aber die Grünen gehen beim ZDF an einem Punkt zu weit: Sie wollen, dass sich die Politik völlig aus den Gremien zurückzieht. Das halte ich nicht für klug: Die Länder haften für die Sender, wenn dort einmal etwas wirtschaftlich schiefgeht – und müssen daher auch in den Verwaltungsräten vertreten sein. Zweitens halte ich eine angemessene Vertretung der Politik – wie eben die anderer gesellschaftlicher Organisationen – im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für nötig. Die Grenze muss hier aber klar bei etwa einem Drittel der Gremienmitglieder liegen und kann nicht so hoch sein, wie sie im ZDF-Fernsehrat derzeit ist.

Die Grünen sagen, sie wollen keine Regierungsvertreter in den Gremien – „normale“ Vertreter aus Parteien schon.

Wenn die Grünen sich hier ein Stück bewegt haben, ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn aber die Länder – und damit ihre Regierungen – bei ARD, ZDF und Deutschlandradio in der Haftung stehen, kann man sie nicht völlig aus den Aufsichtsgremien ausschließen.

Sie ziehen nun allein nach Karlsruhe. Will kein anderes SPD-regiertes Land die Klage unterstützen?

Wenn dort die Koalitionspartner zögern, muss man das akzeptieren. Wir können trotzdem handeln. Wer immer später der Klage beitreten will – an uns wird das nicht scheitern.

Erwarten Sie ein Grundsatzurteil des Verfassungsgerichts?

Das wird Karlsruhe entscheiden. Ich erhoffe mir einen Rahmen, der uns zügig einen neuen ZDF-Staatsvertrag schließen lässt. Ob dann allgemeinere Hinweise des Gerichts auch für andere Anstalten wie ARD und Deutschlandradio Konsequenzen haben, lässt sich nicht vorhersagen.

Unionsvertreter fordern Ihren Rücktritt als Chef der Medienkommission der Länder und als ZDF-Fernsehratsvorsitzender. Schwächt das Ihre Position?

Nein. Es steht jedem frei, solche Anträge zu stellen. Es gibt sie bisher aber nicht. Das Land Rheinland Pfalz und sein Ministerpräsident machen von ihrem Recht – und ihrer Pflicht – Gebrauch, Karlsruhe in einer Angelegenheit anzurufen, wo wir gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken haben. Außerdem: Die unionsregierten Länder Bayern, Hessen und Baden-Württemberg klagen gerade gegen den Staatsvertrag zum Länderfinanzausgleich. Sollen die dann dort auch nicht mehr mitreden dürfen? Da würde ich an deren Stelle noch einmal nachdenken.

Warum kommen die verfassungsrechtlichen Bedenken erst jetzt? Der ZDF-Staatsvertrag – und damit die Gremienzusammensetzung – gelten doch schon seit vielen Jahren.

Das ist wahr, wir haben allerdings auch schon länger darüber diskutiert. Die Problematik hat sich zudem noch verschärft, weil auch die Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen immer stärker politisch besetzt worden sind – übrigens von den Parteien querbeet, wie ich einräume. Wenn dann eine so eindeutig parteipolitisch motivierte Entscheidung wie die Causa Brender dazukommt, muss man handeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen