: „Wir sind nicht bei der Heilsarmee“
MEDIEN Sie ist die neue ARD-Vorsitzende und die erste Frau auf diesem Posten: WDR-Intendantin Monika Piel über finanziell harte Zeiten, den Kika-Skandal, warum Günther Jauch ein attraktives Angebot ist und die „Bild“-Zeitung gegen den Sender hetzt
■ Jahrgang 1951, ist die erste Frau an der Spitze der ARD. Ihre Karriere begann sie während des Studiums als Assistentin des internationalen Frühschöppners Werner Höfer, was vielleicht ihren Faible für Polittalk erklärt. Seit 1979 dient sie dem Sender – mit einer Unterbrechung als freie Korrespondentin in Portugal – als Radiojournalistin. 1997 wurde sie Hörfunk-Chefredakteurin, 1998 Radio-Programmdirektorin der größten ARD-Anstalt. Dass sie als Radiofrau 2007 zur WDR-Intendantin gewählt wurde, war eine Sensation – bislang haben in der ARD überwiegend Verwaltungsdirektoren, Fernsehnasen oder zur Not auch Regierungssprecher Vorrang.
INTERVIEW STEFFEN GRIMBERG
taz: Frau Piel, Sie übernehmen nun für zwei Jahre den ARD-Vorsitz. Ein tolles Gefühl – oder eher nur Pflichterfüllung?
Monika Piel: Es ist ein „Man muss das einmal gemacht haben“-Gefühl. Auf jeden Fall wird es spannend und anstrengend zugleich. Ich freue mich darauf!
Nun heißt es in der ARD, es gebe immer zwei Vorsitzende – einmal den offiziellen und dann die Intendantin des WDR, weil der als reichster und größter Sender immer mitbestimmt, wo es langgeht. Jetzt fällt diese „Arbeitsteilung“ weg – ist das gut oder schlecht für die ARD?
Wenn man den größten finanziellen Anteil trägt, hat man auch ein entsprechendes Gewicht – das liegt in der Natur der Sache. Nur stellen Sie sich das aber nicht zu leicht vor. Die ARD ist ein extrem föderales Gebilde – und jede Anstalt hat eine Stimme. Deshalb werden die kleineren Sender in keinster Weise benachteiligt.
Beim neuen Sendeplatz für „hart aber fair“ im Ersten hat es aber schon geholfen …
Natürlich. Aber die Sachentscheidung für Plasbergs Platz montags vor den „Tagesthemen“ hatten die Programmdirektoren getroffen – wir Intendanten haben dieser Lösung schließlich zugestimmt. Wenn sich der WDR da allein hätte durchsetzen wollen, wäre das schon im Ansatz ein falsches Signal gewesen.
Ab Herbst wird dann fast allabendlich im Ersten zur Politik getalkt. Haben Sie nicht ein bisschen Angst vorm Overkill?
Medienjournalisten sehen das Programm anders als glücklicherweise das Publikum. Und das sieht die vier Talks, die schon heute laufen, sehr gerne – Akzeptanz und Quote steigen. Mit Günther Jauch kommt jetzt ein sehr attraktives Angebot dazu. Für Jauch ist das eine riesengroße Herausforderung. Aber er ist ein absoluter Profi, und ich bin sicher, dass er die Erwartungen erfüllen wird.
Wie dankbar muss die ARD Anne Will eigentlich sein, dass sie trotz ihrer Abschiebung auf den Mittwoch kein größeres Fass aufgemacht hat?
Ich schätze Frau Will außerordentlich und finde es einfach professionell, wie sie sich jetzt verhält. Denn es ist ja nicht an den Moderatoren, die Sendeplätze im Ersten zu verteilen. Alle unsere Moderatoren werden höchst anständig bezahlt, und bei vielen hat der Sendeplatz in der ARD dazu beigetragen, dass sie so bekannt wurden. Es sind übrigens alles befristete Verträge – niemand ist gezwungen, zu verlängern. Wir sind ja nicht bei der „Heilsarmee“, es ist ein Geben – und Nehmen.
Apropos anständig bezahlen: Ihr Vorgänger als ARD-Vorsitzender, SWR-Intendant Peter Boudgoust, führte das Wort „Sparen“ so oft im Mund, dass es manch anderen ARD-Größen schon auf den Wecker ging. Wie arm ist die ARD denn wirklich, aus Sicht ihres reichsten Mitglieds?
Ich bin da ganz an Peter Boudgousts Seite: Hier im WDR müssen wir pro Jahr mindestens 50 Millionen Euro sparen – und das erst einmal auf längere Sicht. Natürlich soll man davon im Programm möglichst wenig sehen – also müssen wir an den Strukturen etwas verändern. Das geht innerhalb der ARD am besten durch Synergien und Kooperationen, ist aber auch extrem schwierig, weil jede einzelne ARD-Anstalt autonom ist. Da hilft nur Überzeugungsarbeit. Aber natürlich sind wir im Gegensatz zu anderen Medienunternehmen noch immer finanziell solide aufgestellt.
Stehen auch unter Ihrem Vorsitz die ARD-Digitalkanäle teilweise auf der Kippe?
Klar ist zumindest eins: Es wird keinen „Sender-Zuwachs“ mehr geben. Wir müssen uns natürlich in der ARD weiterentwickeln, aber das bedeutet künftig: umverteilen, etwas anderes lassen, damit man etwas Neues machen kann. Von daher wird es wohl am Ende meiner Amtszeit eher weniger geben – und ich hoffe bei den Digitalkanälen auf mehr Zusammenarbeit mit dem ZDF – analog zu Phoenix und KiKa.
Das neue Gebührenmodell – die Haushaltsabgabe ab 2013 – soll nun ja alle Probleme lösen. Herrscht dann nur noch Friede, Freude, Eierkuchen?
Auf keinen Fall. Wir hoffen, dass wir weiter ungefähr so viel an Beiträgen hereinbekommen wie 2009. Mehr wird es nicht werden. Außerdem muss der Staatsvertrag mit dem neuen Beitragsmodell in diesem Jahr durch alle 16 Landtage. Und bei den vielen Wahlen, die anstehen, dürfte der ein oder andere Politiker auf die Idee kommen, das Thema Gebühr populistisch zu nutzen.
So eine Deutschlandreise durch 16 Länder könnte der ARD auch die Chance geben, sich in ihrer ganzen Schönheit und Vielfalt zu präsentieren. Woher kommt diese Defensivhaltung, von der Spötter sagen, ARD heiße nun mal „Angst regiert dich“?
Viele Themen sind von außen gesetzt: Die Bild-Zeitung hat kurz vor Weihnachten eine üble Kampagne gegen uns gemacht, weil wir schon im Sommer aus Kostengründen den Sendebetrieb über einen bestimmten Satellitenbetreiber eingestellt hatten und daher die ARD für die Soldaten in Afghanistan nicht mehr zu sehen war – obwohl wir frühzeitig Wege aufgezeigt hatten, wie die Truppen dort trotzdem mit unserem Programm hätten versorgt werden können. Da ist man ja automatisch erst einmal in der Defensive. Vielleicht sind wir aber auch manchmal einfach zu bescheiden, auf unsere tollen Programmangebote noch stärker hinzuweisen; wobei uns dann ja immer gleich vorgeworfen wird, wir seien selbstverliebt.
Aber Anfang Dezember saßen Sie doch höchstpersönlich bei der Präsentation der Bild-App im Springer-Hochhaus in der ersten Reihe und wurden vom Konzernchef stolz der Presse präsentiert. Ist das der Beginn einer großen Liebe? Springer-Chef Mathias Döpfner sah jedenfalls ganz danach aus.
Es war Zufall, dass ein lange verabredetes Treffen und diese Präsentation zusammenfielen. Wir haben aber auch vorher schon Gespräche geführt. Und in der Analyse, wo die Probleme der Zeitungen und Zeitschriften liegen, sind wir uns weitgehend einig. Nur wenn es um eine Lösung geht, treten wieder verschiedene Interessen zutage. Mir liegt schon sehr daran, dass wir mit den Verlegern hier zu einem Ausgleich kommen.
Wie liebevoll finden Sie es denn, wenn Sie so eine Springer-Veranstaltung garnieren – und dafür hinterher wie beschrieben von Bild eins übergebraten bekommen?
Natürlich freue ich mich nicht darüber. Andererseits spricht das in diesem Fall doch eigentlich auch für den Springer-Verlag: Da wurde eben nicht von oben in die Redaktion hineinregiert.
Wie sehr befürchten Sie, dass Ihnen die Medienpolitik in Ihrer Amtszeit um die Ohren fliegt, weil Verleger oder Privatsender doch wieder nach Brüssel marschieren und sich bei der EU über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschweren, der ihre Märkte verzerrt?
Es wäre mein großer Wunsch, dass sich hier die Lage beruhigt und wir uns endlich auf das konzentrieren können, wozu wir da sind: Programm zu machen nämlich. Natürlich könnten sich Verleger oder Privatsender wieder an die EU wenden, dem sehe ich aber ganz gelassen entgegen, weil wir alle EU-Auflagen umgesetzt haben. Es wird über Gebühren nichts im Markt verzerrt.
Nur dass sich die ARD von ProSieben Stefan Raab leihen muss, um den Eurovision Song Contest wiederzubeleben …
Der Grand Prix mit Stefan Raab ist eine Ausnahme. Da spricht aber doch auch nichts gegen! Für beide Seiten war und ist das ein erfolgreiches Projekt. Trotzdem müssen wir uns künftig auch selbst noch viel mehr trauen – ohne Katalysator aus der privaten Ecke.
Beim Kinderkanal wird derzeit zu klären versucht, wie mal eben 4 Millionen Euro von einem leitenden Mitarbeiter hinterzogen werden konnten. Der innerhalb der ARD für den Kika zuständige MDR erklärt, gegen kriminelle Energie sei letztlich kein Kraut gewachsen, das ebenfalls am KiKa beteiligte ZDF hält sich vornehm zurück und scheint damit durchzukommen …
Sie merken das wenigstens. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich zum Stand beim Kika nichts sagen kann, solange die konkreten Überprüfungen beim MDR nicht abgeschlossen sind.
Aber beim MDR hat es früher bereits Ungereimtheiten gegeben. Wäre es nicht sinnvoll, derartige Überprüfungen an den ARD-Vorsitz oder eine neutrale Instanz abzugeben? Auch um jeden Anschein von Rücksichtnahme oder Unter-den-Teppich-Kehren auszuschließen?
Das wäre bedenkenswert. Allerdings haben wir in der ARD schon lange die Praxis, in Konfliktfällen solche Überprüfungen an nicht beteiligte Anstalten abzugeben oder sie hinzuzuziehen.
Sie sind seit Jahren die erste ARD-Vorsitzende, die vom Radio kommt. Wird man das hören?
Ich hoffe doch – denn ich möchte das Gewicht des Radios in der ARD stärken. Der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission wird künftig bei der internen ARD-Intendantenrunde wie bei den großen ARD-Pressekonferenzen mit dabei sein – zusammen mit dem Programmdirektor des Ersten Deutschen Fernsehens.
Nun besagt liebevoller Spott unter Ihren Intendantenkollegen, Monika Piel habe es doch gut: Die großen Kühe wie die Online-Streit mit der EU und die Gebührenreform sind vom Eis, jetzt werden das zwei sehr ruhige Jahre.
Das sehe ich auch so (lacht). Ich hab schon ganz viel Urlaub gebucht, und diesen kleinen Sender hier in Köln mache ich sowieso mit links.
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