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Mit Kiezläden aus der Demo-Krise

WIDERSTAND Linke Aktivisten suchen nach Gründen für die mangelnde Protestbereitschaft der Berliner

Am vergangenen Mittwoch diskutierten im gut besuchten Friedrichshainer Stadtteilladen Zielona Gora VertreterInnen verschiedener linker Gruppen aus Berlin über Gründe für die aktuelle Protestflaute. Bei den Protesten gegen das Sparprogramm der Bundesregierung waren am 26. November gerade einmal 3.000 Menschen in der Nähe des Abgeordnetenhauses auf die Straße gegangen. Die Aktion sollte der Höhepunkt eines „heißen Herbstes“ sein, zu dem linke Gruppen aufgerufen hatten. Michael Prütz vom Berliner Antikrisenbündnis übte Selbstkritik.

Die AktivistInnen hätten zu wenig berücksichtigt, dass die Krise in der Bevölkerung sehr unterschiedlich angekommen sei. „Die Menschen, die sich am wenigsten wehren können, sind am stärksten betroffen gewesen“, meinte der Aktivist mit Blick auf die Erwerbslosen. Zudem fehle bei vielen Menschen die Überzeugung, durch Proteste überhaupt etwas erreichen zu können. Prütz datierte die letzten großen Erfolge einer sozialen Bewegung vierzig Jahre zurück, als die Gewerkschaften in Westdeutschland den Kampf für die 35-Stunden-Woche geführt haben. Anne Seeck vom Erwerbslosentreffpunkt im Neuköllner Stadtteilladen Lunte betonte ebenfalls die Wichtigkeit politischer Erfolge für das Selbstbewusstsein von AktivistInnen.

Solche Erfolge könnten etwa durch gemeinsame Aktionen in Jobcentern und Arbeitsagenturen erzielt werden, wenn sich Erwerbslose gemeinsam gegen Streichungen von Geldern und andere Sanktionen wehrten, sgte Seeck. Dafür sei allerdings der Aufbau einer Infrastruktur in den Stadtteilen notwendiger als Großdemonstrationen. Holger Marcks von der anarchosyndikalistischen Freien ArbeiterInnen Union (FAU) betonte die Wichtigkeit der Basisorganisierung an den Arbeitsplätzen. „Wenn der Betriebsfrieden in Deutschland nicht gebrochen wird, sind auch keine größeren sozialen Proteste auf der Straße zu erwarten.“

Wie es im neuen Jahr mit den Sozialprotesten weitergeht, wird das Berliner Antikrisenbündnis bei einem Treffen am kommenden Dienstag beraten. Aber auch weitere Proteste sind bereits angekündigt. Unter dem Motto „Krach schlagen statt Kohldampf schieben“ wollen Erwerbslosengruppen anlässlich der Landwirtschafts-Messe Grüne Woche am 22. Januar dafür demonstrieren, dass sich auch Hartz-IV-EmpfängerInnen gesunde Ernährung leisten können. Treffpunkt für alle Protestierwilligen ist um 12 Uhr am Hauptbahnhof. PETER NOWAK

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