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„Eine hohe Qualität“

AUSSTELLUNG Die Unibib zeigt Kinderliteratur aus der DDR samt einer Plattenbau-Modellwohnung

Corinna Gerhards

■ 33, wuchs in Westdeutschland auf und arbeitet am Institut für Bilderbuch- und Erzählforschung der Universität Bremen.

taz: Welchen Stellenwert hatte Kinderliteratur in der DDR, Frau Gerhards?

Corinna Gerhards: Einen viel höheren als in der BRD, von der Kinderkrippe an standen Lesen und Bücher im Mittelpunkt der Erziehung. Den Autoren wurde die gedruckte Auflage komplett vorab bezahlt.

Waren diese staatlich geförderten Bücher in ihrer Mehrheit aufdringlich indoktrinierend?Es gibt viele roten Fahnen und die krass militaristischen Bücher voller Soldaten als Bewahrer des Friedens, denen die Kinder kleine Geschenke basteln – aber auch ausgesprochen zahlreiche Bücher, die einfach sehr schön sind und sich durch eine hohe Qualität auszeichnen, gerade in den Zeichnungen. Zudem besteht immer die Gefahr, dass man etwas Ideologisches hineininterpretiert. Zum Beispiel fanden wir es bei „Fumo, der Rauchgeist“ völlig offensichtlich, dass da die Notwendigkeit der industriellen Produktion aus sozialistischer Sicht gefeierte würde. Bis wir feststellten, dass das Buch in Frankfurt am Main gedruckt worden war.

Wie stark griff die Zensur ein?

Die von uns interviewten Autoren sagen, dass sie sich ziemlich frei gefühlt hätten. Vermutlich waren sie schon von sich aus einigermaßen linientreu. Dass beispielsweise „Der Löwe Leopold“ von Reiner Kunze komplett eingestampft wurde, lag weniger an dessen Inhalten als am Umstand, dass Kunze kurz zuvor auch in Westdeutschland veröffentlicht hatte. Wenn es kritische Töne gab, bezog sich das vor allem auf das Problem der Ent-Individualisierung, zum Beispiel durch das Leben im Plattenbau. In „Hirsch Heinrich“ und vielen anderen Büchern hingegen wird propagiert, dass Gemeinschaft und Sicherheit wichtiger sind als persönliche Freiheit.

Interview: HENNING BLEYL

„Zurückgeblättert – Kinderbücher und Kindheit“: Bis zum 31. Januar auf Ebene 1 der Staats- und Universitätsbibliothek. Öffnungszeiten am Samstag: 10 bis 18 Uhr

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