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Schlafen wird teurer

RUHEN Forscher lernen immer mehr über unsere Nächte. Wecker- und Kissenhersteller wollen davon profitieren

Ins Bett und wieder raus

■  Einschlafen: Im Bett sollte man Computer und Handy nicht mehr anschalten: Blaues Licht macht wach. An nächtlichen Grübeleien ist das Schlafhormon Melatonin schuld. Es sorgt für Müdigkeit, drückt aber die Stimmung. Über Nacht wird der Stoff abgebaut und die Sorgen verschwinden.

■  Aufwachen: Das Philips Wake-up Light kostet 150 Euro, per USB lässt sich ein MP3-Player anschließen: www.philips.de. Für 199 Euro gibt es den Axbo Schlafphasenwecker für Paare mit zwei Armbändern im Paket: www.axbo.com.

VON MARIA ROSSBAUER

Eine halbe Stunde etwa dauert der künstliche Sonnenaufgang mitten im Schlafzimmer. Auf Wunsch zwitschern dazu auch ein paar Vögel. Am Ende erleuchtet ein weißer Lichtkegel den Raum in grellem Weiß. Das „Wake-up Light“ der Firma Philips will damit das Unmögliche schaffen: Aufstehen zu einem angenehmen Erlebnis machen. Die Idee ist, den Schläfer auf natürliche Weise zu wecken, wie wenn ihn Sonnenstrahlen durchs Fenster im Gesicht kitzeln. Licht ist der wichtigste Anstupser unserer inneren Uhr, besonders helles, bläuliches. Rezeptoren auf der Netzhaut können dieses Licht auch bei geschlossenen Augen wahrnehmen und senden dann entsprechende Aufwach-Signale ans Gehirn. Geräte wie das „Wake-up Light“ wollen diese Tatsache nutzen, zum Wohl des Aufstehers. Und natürlich der Firmenkasse.

Immer mehr Produkte, die das Aufwachen oder auch zunächst mal den Schlaf verbessern sollen, schwappen in letzter Zeit auf den Markt. Denn auch die Schlafforschung boomt: Forscher wissen seit einigen Jahren Details über Schlafphasen und nächtliche Bewegungen, darüber, was stört und was wach macht. Die Industrie macht sich dieses Wissen zunutze. Denn unser Schlaf ist ein hervorragendes Feld für ein gutes Geschäft: Wir verbringen damit etwa ein Drittel unseres Lebens, so viel wie mit keiner anderen Beschäftigung. Dennoch macht es vielen Probleme: Jeder zweite Deutsche klagt über Schlafstörungen, Millionen leiden unter Schlaflosigkeit oder Schnarchen. Und wer endlich eingeschlafen ist, den erwartet bald die nächste Qual: Aufstehen. Besonders jetzt im Winter, wenn es morgens draußen noch dunkel ist.

Hier versucht Philips mit seinem Wecklicht anzusetzen. Doch auch Firmen wie Starbett, eines der größten Unternehmen auf dem Schlafmarkt, vertreiben neuerdings neben Latexmatratzen und Bettdecken Produkte wie das Antischnarchkissen. Vierzig mal achtzig Zentimeter ist es groß, weiß, in seinem Inneren sind Latexflocken und ein schlauchförmiges Luftpölsterchen. Damit kehre in den allermeisten Fällen endlich Ruhe ins Schlafzimmer ein, schreibt der Hersteller. Der Luftschlauch heißt dort auch „Kopf-Seiten-Roller“. Rollt der potenzielle Schnarcher nächtens in die geräuschverursachende Rückenlage, stößt sein Kopf auf das harte Luftpolster. Das soll ihn dazu zwingen, wieder in die stillschweigende Seitenlage zu kugeln. Kostenpunkt: 89 Euro.

Viele Schlafprodukte werben mit Aufdrucken wie „klinisch geprüft“, „Neun von zehn Menschen schlafen damit besser“ oder mit Aussagen ominöser Wissenschaftler um Käufer. „In unserem Bereich gibt es viel Scharlatanerei“, sagt Robert Schmidt von der Firma Starbett. Kaum eines der Produkte ist tatsächlich wissenschaftlich getestet, und selbst wenn: Die Aussage „klinisch geprüft“ verrät noch lange nichts über das Ergebnis. Beim Käufer bleibt also die Verunsicherung: Welche Angebote bringen etwas, welche nicht?

Dieter Riemann ist Schlafforscher an der Uni Freiburg. Er beschäftigt sich seit über dreißig Jahren mit der Verbesserung unseres Schlafes. „Das Grundprinzip des Schnarchkissens ist nicht schlecht“, sagt Riemann, „man schnarcht in der Seitenlage tatsächlich weniger.“ Die häufigste Schnarchursache würde damit jedoch nicht behoben: Schnarcher sollten abnehmen, weniger Alkohol trinken oder sich auf ernsthafte Erkrankungen untersuchen lassen. „Das Prinzip kann man aber auch einfacher haben: Rucksack anziehen und Ball rein. Dann kann sich der Schnarcher auch nicht auf den Rücken drehen“, sagt Riemann.

Das Wecklicht hält der Schlafforscher für vielversprechend. Schließlich sei die Bedeutung von Licht fürs Wachwerden wissenschaftlich belegt.

Biologisch optimierte Weckhilfen sind ein wichtiger neuer Zweig im Geschäft mit dem Schlaf. Schlafphasenwecker zum Beispiel sollen in einem festgelegten Zeitfenster den geeignetsten Weckzeitpunkt herausfinden und dann erst klingeln. In einer Leichtschlafphase, dem Stadium „kurz vor wach“. So soll der Benutzer fitter und ausgeruhter sein. „Es gibt aber keinen wissenschaftlichen Ansatz dafür, welche Schlafphase sich am besten zum Aufstehen eignet“, sagt Schlafforscher Riemann. „Klar, die Tiefschlafphase wäre nicht gut. Aber die findet ohnehin nur etwa im ersten Drittel der Nacht statt.“ Das ganze Konstrukt des Weckers beruhe lediglich auf Vermutungen.

Schlafphasenwecker kosten um die 160 Euro aufwärts, man trägt sie wie eine Armbanduhr. Wer ein iPhone besitzt, kann sich so einen Wecker auch für 79 Cent auf sein Telefon laden. Am Arm – oder im Fall des iPhones auf der Matratze liegend – sollen die Wecker die nächtlichen Bewegungen der Schlafenden erkennen und aufzeichnen. Im Leichtschlaf bewegt man sich weniger als im Tiefschlaf.

„Das Prinzip kann man auch einfacher haben: Rucksack anziehen und Ball rein“

DIETER RIEMANN ÜBER SCHNARCHKISSEN

„Wenn wir im Labor die Schlafphasen messen, kosten die Geräte dazu 20- bis 30.000 Euro“, sagt Riemann. „Die Schlafphasenwecker erfassen vielleicht grob irgendwas, was auf Leichtschlaf hindeutet. Um den aber wirklich bestimmen zu können, müsste man schon die Gehirnströme messen.“ Selbst wenn man also sicher sagen könnte, welche die beste Schlafphase fürs Aufstehen ist, müsste man wohl ins Schlaflabor gehen, um in der Phase auch geweckt zu werden.

Neben den Schlafhilfen für Schnarcher gibt es noch speziellere Angebote, etwa für Menschen mit Ohrgeräuschen. Tinnituskissen sind Kopfablagen mit eingebautem Lautsprecher, aus dem Entspannungsmusik dudelt, die von Geräuschen im Ohr ablenken soll. „Den Ansatz, Tinnitus mit anderen Geräuschen zu überdecken, gibt es auch in der Therapie. Doch das Ganze funktioniert ja nur, wenn man alleine schläft“, sagt Riemann. Sonst würde auch der Bettnachbar mit sanften Klängen bedudelt. „Man kann auch einfach Kopfhörer aufsetzen und den MP3-Player einschalten.“ Das ist billiger, genauso effizient und stört den Bettnachbarn nicht.

Schlaf und Aufwachen auf diese Art zu verbessern hat seinen Preis: Ein Tinnituskissen kostet um die 100 Euro, der Lichtwecker von Philips in verschiedenen Varianten 120 Euro aufwärts. Und obwohl viele der Schlaf-Produkte auch medizinische Zwecke erfüllen, gibt es sie nicht auf Rezept – weil ihre Wirkung im Detail kaum genau wissenschaftlich belegt ist. Sie bleiben Lifestyle-Produkte. Es ist noch weit, bis sie auf einer Stufe mit zum Beispiel seriös getesteter Orthopädietechnik stehen, die Ärzte auch verschreiben können. Doch dazu bräuchte es neben Studien auch eine entsprechende Ausbildung der Ärzte: Schlaf ist kaum Thema im Medizinstudium. Klagen Patienten über Schlafprobleme, raten Ärzte oftmals zu Schlafmitteln.

So bleibt das Rezept für einen gesundheitsfördernden Lichtwecker in weiter Ferne. Und die Produkte ein halbwissenschaftliches Geschäft mit dem Schlaf: Im Großen und Ganzen sind sie überteuert und lassen sich oft durch einfache Tricks selbst basteln, wenn man ihre Prinzipien verstanden hat. Und vielleicht bleiben auch einige Probleme dauerhaft unlösbar. „Aufstehen ist einfach immer scheiße“, sagt Schlafforscher Dieter Riemann. Und ihn beschäftigt das Thema seit drei Jahrzehnten.

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