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Der Bilbao-Effekt

Ob Weimar oder Luxemburg: Kulturhauptstadt ist ein Label, das allerhand repräsentative Architektur bringt, selten aber nachhaltigen Strukturwandel

VON DIRK HAGEN

So viel Kulturmetropole war selten. Seit kurzem ist die Stadt Luxemburg zusammen mit den Nachbarregionen Rheinland-Pfalz, Saarland, Lothringen und Wallonien offiziell „Europas Kulturhauptstadt 2007“. Rund 450 Projekte und über 5.000 Veranstaltungen werden ein Jahr lang im Vierländereck präsentiert. Alleine Trier erwartet mit einer Ausstellung zu den gemeinsamen Wurzeln der 11 Millionen Einwohner starken Region mehr als 300.000 Besucher. Und natürlich soll es bei solchen kläglichen Touristenzahlen nicht bleiben. Kulturhauptstädte wie zuletzt Graz oder Weimar haben es bewiesen: Das Logo „Kulturhauptstadt“ ist ein ideales, internationales Marketinginstrument; ein Branding, das immense mediale Aufmerksamkeit verheißt – nicht bloß satte Zuwachszahlen im Tourismus. Wenn auch nur für ein Jahr. Dann ist der schnelle Aufstieg zur Kulturmetropole schon wieder gefährdet, inklusive rückgängiger Besucherzahlen.

Weil von einer Kulturhauptstadt mehr erwartet wird als nur sympathische Straßenfeste oder eine lebendige Stadtteilkultur, liegt der Schwerpunkt immer mehr bei Investitionen in Prestigeprojekte. Genauso wie die ehemaligen Kulturhauptstädte Graz und Weimar hat auch das finanziell potente Luxemburg mit Neueröffnungen kultureller Stätten nicht gespart: Pünktlich zum Hauptstadtjahr hat neben der Philharmonie noch das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean, kurz Mudam, seinen Ausstellungsbetrieb begonnen. Das 88 Millionen Euro teure Kunsthaus vom chinesisch-amerikanischen Architekten Ieoh Ming Pei gilt schon jetzt als architektonisches Markenzeichen in dem kleinen Beneluxstaat.

Dass Investitionen in Kulturarchitektur einen wichtigen Beitrag zu Stadtentwicklung und Imagebildung beitragen können, zeigten zuletzt einige spanische Städte. Das Guggenheim-Museum von Frank O. Gehry hat nicht nur bei der Revitalisierung eines brachliegenden, kaum genutzten Industriegebietes geholfen, sondern überhaupt zum Strukturwandel in der baskischen Stadt beigetragen. Der „Bilbao-Effekt“ ist denn auch das Vorbild für viele Stadtobere, die hoffen, ein Stück des Weges in Richtung neuer Kulturökonomie voranzukommen. In Bilbao ist das gelungen – auch weil die Bedürfnisse der Bewohner vor Ort Berücksichtigung fanden.

Das jüngste Beispiel für die Gestaltung eines städtischen Kulturimages ist Valencia. Der „Palau de les Arts“, ein als Opernhaus dienender circa 300 Millionen Euro teurer Palast, ist dort der letzte Baustein eines imposanten Ensembles von vier Kultur- und Wissenschaftsgebäuden unter dem Titel „Ciutat de les Arts i les Ciènces“. Besucht man diese gigantische, rund 350.000 Quadratmeter große „Kunst- und Wissenschaftsstadt“ bei Nacht, ist der futuristisch-maritime Eindruck überwältigend: Hell erleuchtet strahlen die in Muschelweiß gehaltenen Gebäude mitten in einem monotonen, eintönig wirkenden Stadtviertel. Hier, am Rande der Altstadt von Valencia, in einem Stadterweiterungsgebiet auf dem Weg zu Meer und Hafen, scheint keine andere Architektur passender.

Selbst in der schon seit längerer Zeit in der Champions-League angekommenen Metropole Barcelona wird man nicht müde, neue architektonische Highlights zu produzieren. So erhielt im November das neue Wahrzeichen, der „Torre Agbar“, ein gurkenartiger, etwa 140 Meter hoher Büroturm von Jean Nouvel, den Frankfurter Hochhauspreis. Sollte dies nicht für genug Aufmerksamkeit sorgen, gibt es noch das am Meer liegende „Edificio Fórum“ der renommierten Schweizer Architekten Herzog und de Meuron. Das ganz in Blau gehaltene, knapp 200 Meter lange und 45 Meter breite Ausstellungsgebäude mit unregelmäßigen, wie Glassplitter wirkenden Fensteröffnungen bildet den angenehmen Gegenpol inmitten des „Fórum 2004“, eines Kongress- und Messegeländes am Rande des neuen Stadtteils „La Mina“.

Dieser Bauboom hat jedoch auch seine Kehrseite. Das Angebot an bezahlbarem Wohnraum in den spanischen Metropolen geht rapide zurück, bei ungemindert starker Nachfrage. Die massiven Investitionen in architektonische und kulturelle Leuchttürme fördern die Immobilienspekulation eher noch weiter. Dagegen fehlen in den Kommunen Gelder für den sozialen Wohnungsbau, genauso wie für kleinteilige Kulturprojekte.

Andernorts wiederum bleibt bei allem Vertrauen in das durch die Kultur aufgehübschte Erscheinungsbild das Scheitern nicht aus. So hofft die ehemalige Europäische Kulturhauptstadt 1999 Weimar bis heute vergebens auf einen erfolgreichen Wandel im strukturschwachen Ostdeutschland. Viel ist nicht geblieben vom Glanz des einjährigen Kulturfestivals. Vor drei Jahren wurde dann aufgrund der desolaten Haushaltslage sogar das Stadtmuseum geschlossen. Das westfälische Herford, bisher zu Recht auf keiner Landkarte des Kulturtourismus verzeichnet, leistete sich 2005 mit dem MARTa wiederum einen rund 30 Millionen Euro teuren Museumsneubau vom Stararchitekten Frank O. Gehry – und wartet bisher vergebens auf den „Bilbao-Effekt“.

Trotz der anerkannt hohen Baukunst geriet das Haus schon im Eröffnungsjahr finanziell in Bedrängnis. Rund 300 Besucher zählt das Museum im Durchschnitt pro Tag. 2006 wird jetzt ein Minus von knapp 1 Million Euro erwartet, gleichzeitig muss die Zahl der Ausstellungen reduziert werden. Der Weg zur Kulturmetropole scheint dann doch noch weit.

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