: Auftauchen aus dem Paralleluniversum
Dank einer RTL-Show wurde Theresa Schumann für kurze Zeit zu einem Eiskunstlaufsternchen. Dabei ist die 23-Jährige schon lange ein Star: Ab morgen kämpft die Berlinerin im Synchroneiskunstlaufen um ihren zehnten Deutschen Meistertitel
von Marina Mai
Theresa Schumann sitzt im Café wie das stille Mädchen von nebenan. Ihre schwarzen Haare hat sie unauffällig nach hinten gekämmt. Niemand erkennt in ihr die Eiskunstläuferin. Dabei war sie drei Monate lang in der Show des Fernsehsenders RTL „Dancing on Ice“ als kesse Berliner Göre über das Eis gefegt, an der Seite von TV-Star Branco Vukovic, bekannt aus der Fernsehsoap „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“. Idee der Show war, dass ein Promi an der Seite einer professionellen Eiskunstläuferin binnen wenigen Wochen das Schlittschuhlaufen lernen und mit ihr gemeinsam Showprogramme einstudieren sollte. Die wurden dann einem Millionenpublikum vorgeführt.
Theresa Schumann präsentierte sich und ihr „Ziehkind“, wie sie den Schauspieler Vukovic nennt, als ideenreiche und ausdrucksstarkes Läuferpaar. Das unauffällige Mädchen hatte sich durch die Sendung in einen Showstar verwandelt. Seitdem muss die bis dato völlig unbekannte Sportlerin Autogrammkarten verschicken, seitdem hat sie Fanpost erhalten.
Jetzt gewöhnt sie sich langsam wieder an ihr normales, unauffälliges Leben in Berlin. Die 23-Jährige ist als Synchroneiskunstläuferin Mitglied der Eislaufformation „Team Berlin 1“. Elfmal war ihre Gruppe Deutscher Meister, neunmal davon mit Schumann im Team. Bei den Deutschen Meisterschaften, die morgen in Oberstdorf beginnen, will Theresa Schumann ihren zehnten und das Team seinen zwölften Deutschen Meistertitel in Folge erringen. Sie sind unangefochtene Favoriten. Weltweit gehört das Team seit Jahren zu den Top Ten.
Zu Unrecht unbekannt
In Deutschland kennt kaum jemand die Sportart Synchroneislaufen. Zu Unrecht, wie Theresa Schumann meint. Denn wenn 16 Männer und Frauen gleichzeitig Schritte, Hebungen und Pirouetten vorführen, sei das durchaus ein attraktives Showprogramm. Und ein wenig hofft die Friedrichshainerin, mit ihrem RTL-Auftritt der Sportart Eiskunstlauf und dessen jüngsten Spross Synchronlaufen in Deutschland zu etwas mehr Attraktivität verhelfen zu können.
Seit ihrem fünften Lebensjahr steht Schumann regelmäßig auf Kufen. Zuerst als Einzelsportlerin, später versuchte sie sich im Paarlaufen. „Mit 15 war ich in der Pubertät. Da wollte ich einfach etwas ganz anderes ausprobieren. Seitdem bin ich in der Formation.“ Von dem Klischee, wonach dort eigentlich ausgediente Eiskunstläufer noch ein wenig Sport treiben könnten, will sie nichts wissen. Konditionell sei die Disziplin schwieriger als Einzel- und Paarlaufen, sagt die 23-Jährige. „Wenn du mit anderen Sportlern gemeinsam eine Kür tanzt, kannst du nicht mal schnell was improvisieren, weil du außer Puste bist.“ Jede Arm- und jede Kopfbewegung müsse stimmen. „Und bei den Hebungen müssen Frauen Frauen heben.“ Synchronlaufen mache zudem mehr Spaß. „Wir sind eine gute Truppe. Wir freuen uns gemeinsam über Erfolge, feiern miteinander und trauern auch gemeinsam, wenn es nicht so gut gelaufen ist.“
So gut Theresa Schumann ihre Rolle bei RTL getan hat – sie braucht das Millionenpublikum nicht unbedingt. Hartes Training, das lediglich innerhalb einer kleinen eingeschworenen Szene geschätzt wird, ist sie seit frühester Kindheit gewohnt. Sicher, etwas mehr Aufmerksamkeit würde sie ihrer Sportart, die vor allem in Skandinavien viele Anhänger hat, in Deutschland schon wünschen. „Gerade wenn im Frühjahr die neue Saison beginnt, kommt schon mal eine Motivationskrise auf. Aber die gute Truppe und die ersten Auftritte lassen das bald vergessen.“
Urlaub für den Wettkampf
Dass die Berliner in der Weltspitze mitlaufen, wovon deutsche Einzeleiskunstläufer nur träumen, sei Ergebnis harten Trainings. Sechsmal in der Woche zieht es Theresa Schumann in die Trainingshallen am Velodrom und im Sportforum Hohenschönhausen. Wie ihre Kollegen trainiert sie neben ihrer Ausbildung oder Arbeit. Für die Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften müssen die Läufer Urlaub nehmen. Ihr Partner, darauf verweist Theresa Schumann stolz, stehe hinter ihrem zeitraubenden Sport. Dass Schumann im Alter von 23 Jahren trotz Leistungssports bereits ein Studium abgeschlossen hat, spricht für ihre Zielstrebigkeit. Sie ist Grafikdesignerin und arbeitet seit einem Jahr freiberuflich.
Während Fußballer und Eishockeyspieler reich werden, wenn sie Erfolge feiern, müssen sich Synchroneiskunstläufer ihren Sport leisten können. Sie kaufen nicht nur die teuren Schlittschuhe, Kürkostüme und Trainingskleidung selbst, auch ihr Fahrgeld zu Wettkämpfen müssen sie aus eigener Tasche bestreiten. „Ein Sponsor wäre schon schön“, träumt die junge Frau laut, „und sei es nur für ein Set Trainingskleidung.“ Ihre ganz persönliche Kasse hat RTL zwar deutlich aufgebessert, aber das sei einmalig gewesen. „Wenn unser Team in Fernsehshows auftritt“ – was nur wenige Male im Jahr vorkomme –, „erhalten wir alle zusammen so viel Honorar wie ein Einzelläufer.“ Das Geld bleibe dann in der Teamkasse und werde für neue Kostüme verwendet.
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