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Der Ritter gegen die feindliche Übernahme

NRW-Chef Rüttgers (CDU) gebiert eine neue wohlklingende Idee für künftige BenQ-Fälle. Realistisch ist sie nicht

Wenn ein Investor Jobs verspricht, ist auch Rüttgers bereit, den roten Teppich auszurollen

BERLIN taz ■ Jürgen Rüttgers reitet wieder. Anlässlich der Insolvenz der BenQ-Handy-Fabriken mimte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident gestern den Robin Hood der Entlassenen, Armen und Entrechteten. In einem Nachrichtenagentur-Interview forderte er „internationale Spielregeln, die gesunde Unternehmen vor der Zerschlagung bewahren“.

Der CDU-Politiker sagte, Politik, Unternehmen und Gewerkschaften sollten gemeinsam versuchen, feindliche Übernahmen zu erschweren. Konkreter wurde Rüttgers nicht. Wer Fernsehen und Zeitungen verfolgt, kennt ihn schon seit geraumer Zeit als Stimme derjenigen, denen Unrecht zugefügt wurde. Diese für Spitzenpolitiker der Konservativen nicht unbedingt geläufige Rolle probte Rüttgers in den vergangenen Monaten, indem er vorschlug, ältere Erwerbslose sollten länger Arbeitslosengeld erhalten als jüngere. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel und vielen CDU-Kollegen argwöhnisch beobachtet, brachte Rüttgers einen entsprechenden Parteitagsbeschluss zustande. Demnächst freilich wird die Union das Thema nur noch pflichtschuldig im Koalitionsausschuss mit der SPD zur Sprache bringen, um es dann auf sich beruhen zu lassen.

Rüttgers Überlegungen, feindliche Übernahmen betreffend, sind weniger relevant, aber ähnlich kurzatmig. Denn was will die Politik in einem Fall wie BenQ tun? Der Siemens-Konzern, an dem die CDU nicht beteiligt ist, hatte entschieden, ein paar Fabriken an das Unternehmen BenQ zu verkaufen. Die Firma aus Taiwan ließ die Fertigungsstätten kurz darauf bankrott gehen. Theoretisch möglich wären Gesetze, um so etwas zu verhindern. Der Staat könnte ausländischen Investoren vorschreiben, die aufgekauften Töchter deutscher Firmen mindestens fünf Jahre weiterzubetreiben. Oder er könnte dekretieren, dass das Know-how in deutschen Landen bleiben muss.

Praktisch erreichen derartige Regulierungsideen aber schnell die Grenzen der marktwirtschaftlichen Verfassung Europas und der Machtverhältnisse in der Weltökonomie. Denn kommt erst der nächste Investor und verspricht ein paar Jobs, ist auch Rüttgers bereit, ihm den roten Teppich auszurollen. HANNES KOCH

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