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Verschwendung, die sich lohnt

Auch wenn der Wirtschaft floriert – die Langzeitarbeitslosen profitieren nicht davon. Für sie muss mehr getan werden. Ein gute Möglichkeit dazu bietet der „Dritte Arbeitsmarkt“

Man kann die Verdrängung regulärer Arbeits-plätze grundsätzlich gelassener sehen

Der aktuelle, nach wie vor exportgetriebene Aufschwung zeigt: Wenn die makroökonomischen Bedingungen stimmen, entstehen Arbeitsplätze, ohne dass die seit Jahren geforderten Strukturreformen konsequent durchgesetzt werden mussten. So war es nicht nötig, den Kündigungsschutz abzuschaffen, die sozialen Sicherungssysteme zu privatisieren oder auf Kapitaldeckung umzustellen – und trotzdem gibt es mehr Jobs. Denn Deutschland profitiert von der Globalisierung.

Gleichzeitig aber gilt auch, dass nicht alle in Deutschland etwas vom Aufschwung haben – besonders die Langzeitarbeitslosen nicht. Da es jedoch unsinnig wäre, sich gegen die Globalisierung zu wehren, gilt es nach Lösungen zu suchen, die den Verlierern der Globalisierung helfen. Das hat sogar der US-Notenbankchef Ben Bernanke etwas überraschend im Sommer 2006 gefordert. Langfristig ist Bildung das beste Mittel; kurzfristig gehört ein „Dritter Arbeitsmarkt“ dazu.

Mit großer Wahrscheinlichkeit sieht das die Bundesregierung inzwischen auch so. Zwar wirbt Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache für weitere Reformen, die wie die Rente mit 67 erst einmal mehr von den Bürger verlangen, bevor sie positiv wirken, aber Merkel hat auch ausdrücklich mehr Chancen für Langzeitarbeitslose als ein wichtiges Ziel genannt.

Im Aufschwung wird „Fördern und Fordern“ richtig wirksam werden. Die raschere Vermittlung von Arbeitslosen verhindert neue Langzeitarbeitslosigkeit weitgehend. Was jedoch fehlt, ist ein Konzept, mit dem man denjenigen Langzeitarbeitslosen hilft, die auch in einem lang andauernden Aufschwung keinen Job mehr finden.

Das wird jetzt offenkundig vorbereitet: In der großen Koalition ist ein Programm für erst einmal 100.000 Langzeitarbeitslose im Gespräch. Unvermittelbare Langzeitarbeitslose sowie psychisch und körperlich Kranke sollen Jobs in kommunalen oder gemeinnützigen Einrichtungen zur Verfügung gestellt bekommen. Vornehmlich im Hilfsbereich – ob in der Küche oder beim Rasenmähen –, denn es hätte keinen Sinn, ungelernte Kräfte zum Beispiel mit der schwierigen Aufgabe der Pflege zu betrauen.

Ein Dritter Arbeitsmarkt ist für ansonsten unvermittelbare Langzeitarbeitslose sinnvoll, denn den meisten von ihnen und ihren Kindern geht es schlecht. Während der Durchschnitt der Erwachsenen seine Lebenszufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn mit etwa 7 angibt, geben Langzeitarbeitslose im Durchschnitt weniger als 5 an. Noch unzufriedener mit ihrem Leben sind nur pflegebedürftige Menschen. In einer Erwerbsgesellschaft ist ein Arbeitsplatz an sich nämlich wichtig für die Lebenszufriedenheit. Erwerbstätige mit befristeten Jobs geben daher nahezu dieselbe Zufriedenheit wie andere Erwerbstätige an; selbst Erwerbstätige, die trotz Vollzeitarbeit nur einen „Armutslohn“ beziehen, sind im Durchschnitt mit etwa 6,5 nicht viel weniger zufrieden als normal verdienende Erwerbstätige.

Natürlich ist auch ein Dritter Arbeitsmarkt mit einer Menge Problemen verbunden. So besteht die Gefahr, dass reguläre Arbeitsplätze im Handwerk und bei privaten Pflegediensten verdrängt werden, wenn der Staat im Rahmen eines geförderten Arbeitsmarktes einfache Arbeitsplätze bei Kommunen und der Wohlfahrtspflege einrichtet. Das ist ökonomisch ohne Zweifel ineffizient, denn es werden Mittel „verschwendet“. Aber wenn Langzeitarbeitslose so aus ihrem Elend herausgeholt werden, dann ist ein solches Programm alles andere als nutzlos.

Man kann die Verdrängung regulärer Arbeitsplätze aber auch grundsätzlich gelassener sehen: Schließlich wird durch einen Dritten Arbeitsmarkt nur ein kleiner Teil von Arbeitsplätzen wieder geschaffen, die in den letzten Jahren durch die Privatisierung der kommunalen Daseinsfürsorge verloren gegangen sind. Sicherlich: Viele einfache Arbeitsplätze bei der Müllabfuhr und der Gemeindegärtnerei waren ökonomisch überflüssig und haben die Gebühren in Städten und Gemeinden etwas nach oben getrieben. Aber die Gesellschaft hat sich dadurch die fiskalischen und sozialen Kosten der Langzeitarbeitslosigkeit gespart.

Natürlich könnte ein Dritter Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose neue Probleme schaffen. So besteht die Gefahr, dass ein neuer Abschiebebahnhof für das „Prekariat“ geschaffen wird – etwa für junge Menschen, die jetzt und in den nächsten Jahren ohne verwertbaren Schulabschluss ins Erwerbsleben treten. Gerade für diese jungen Leute muss vielmehr „Fördern und Fordern“ gelten. Insofern sollte eine klare Befristung des neu geschaffenen Dritten Arbeitsmarktes erwogen und öffentlich diskutiert werden.

Zudem ist zumindest vereinzelt mit Unmut zu rechnen. Langzeitarbeitslose, denen es nicht elend genug geht und denen nicht durch einen staatlich alimentierten Arbeitsplatz geholfen wird, werden sich fragen: Warum hat ein anderer Glück und ich nicht? Die Politik sollte sich auf diese Debatte gut vorbereiten. Dabei ist zu bedenken: Alle Fachleute schätzen, dass es nicht nur 100.000 Langzeitarbeitslose gibt, die keinerlei Chance mehr auf einen normalen Job haben, sondern etwa 400.000. Vielleicht sogar noch mehr. Insofern sollte erwogen werden, ob man nicht jetzt auch damit beginnt, die Arbeitsfähigkeit und -willigkeit aller Langzeitarbeitsloser durch staatliche Jobangebote zu testen.

Manche nennen das „Workfare“ – staatliche Transfers erhält ein Arbeitsfähiger nur noch für eine Gegenleistung in Form gemeinnütziger Arbeit. Es wird damit getestet, ob jemand wirklich auf einen solchen Job angewiesen ist, oder ob er lieber nichts tut oder gar schwarzarbeitet. Wird ein solches Workfare-Konzept in das Angebot eines Dritten Arbeitsmarktes eingebettet, dürfte es gleichermaßen sozialverträglich wie wirksam sein. Denn es wird eben nicht nur die Arbeitswilligkeit getestet, sondern wirklich ein Job angeboten und womöglich dauerhaft gewährleistet. Macht man das konsequent, werden 100.000 Arbeitsplätze im Dritten Arbeitsmarkt also wahrscheinlich nicht ausreichen.

Ein Dritter Arbeitsmarkt ist für sonst unvermittelbare Langzeitarbeitslose sinnvoll

Ein letztes Wort: Mit einem „Grundeinkommen für alle“, von dem immer wieder geträumt wird, sind die Probleme der derzeit Langzeitarbeitslosen nicht zu lösen. Denn diese Gruppe hat ja nicht nur den Anschluss an die Erwerbsarbeit verloren, sie ist aufgrund unzureichender Bildung und der Gewöhnung an Perspektivlosigkeit auch kaum noch in der Lage, sich außerhalb der Erwerbswelt sinnstiftend zu betätigen.

Eine gute Bildung und jede Menge kreativer Energie ist aber die Voraussetzung, damit ein Grundeinkommen für alle eine sinnvolle Perspektive sein könnte. Solange die nicht gegeben ist, lohnt es sich nicht, über die vielfältigen Probleme eines Grundeinkommens im Detail zu diskutieren. Hingegen ist die Diskussion der Details und der fiskalischen Kosten eines Dritten Arbeitsmarktes überfällig.

GERT G. WAGNER

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