piwik no script img

Polizisten in Ägypten drehen Foltervideos

Mehrere Filme, die die Misshandlung von Gefangenen zeigen, sind ins Internet gelangt. Eines der Opfer wird verurteilt

KAIRO taz ■ Die in den vergangenen Wochen im Internet aufgetauchten Foltervideos, die in ägyptischen Polizeistationen gedreht wurden, lassen wenig Zweifel daran, wer strafrechtlich verfolgt werden sollte. In dem neuesten Werk schreit eine junge Frau um Gnade. Sie hängt an einer Stange zwischen zwei Stühlen, die Beine und Arme schmerzhaft über der Stange zusammengebunden. Das Video wurde vermutlich von den Folterern selbst auf dem Handy mitgeschnitten. „So ein Handy ist auch ganz brauchbar für Sex“, sagt ein Mann mit ruhiger Stimme hinter der Kamera. Es ist einer von fast einem Dutzend solcher Filme, die von ägyptischen Bloggern ins Internet gestellt wurden.

Doch statt der Folterknechte werden in Ägypten jetzt jene verfolgt und bestraft, die öffentlich über ihre Folter sprechen, sowie Journalisten, die darüber berichten. Am Freitag wurde die für den arabischen Fernsehsender Al-Dschasira arbeitende Journalistin Huweida Taha Matawalli festgenommen, die gerade an einer Dokumentation über die Foltervideos arbeitet. Am Flughafen wurden in ihrem Gepäck 50 Kassetten konfisziert, in denen unter anderem auch Folterszenen von Schauspielern nachgestellt wurden – mit Genehmigung der Behörden, wie sie sagt. Der Journalistin wird vorgeworfen, Folterszenen gefälscht zu haben und das Ansehen Ägypten ruinieren zu wollen. Sie wurde am Sonntag gegen die Zahlung einer Kaution von umgerechnet 1.360 Euro wieder freigelassen.

Wenige Tage zuvor war der Busfahrer Emad al-Kabir wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der 21-Jährige hatte zuvor in Interviews öffentlich seine Leidensgeschichte erzählt. Er war im Januar 2006 auf einer Polizeistation in Kairo nackt ausgezogen und mit einem Besenstil vergewaltigt worden.

Al-Kabirs Folterfall war der erste, der mit Ton und Bild ins Internet gestellt wurde. Das von den Polizisten gedrehte Video sei von den Offizieren selbst von Handy zu Handy an Kollegen al-Kabirs weitersendet worden, um, wie dieser in Interviews berichtete, „meine Moral zu brechen“. Im November hatten ägyptische Blogger den Film im Internet veröffentlicht. Dem folgten in kurzen Abständen zahlreiche andere Videos von Menschen, die in Polizeistationen geschlagen und misshandelt wurden. Wurden manche der Videos ohne jegliches Unrechtsbewusstsein offensichtlich von den Offizieren selbst verbreitet, fanden andere über Handyshops, in denen die Offiziere ihre Telefone reparieren ließen, den Weg in die Öffentlichkeit.

„Ich erinnere mich auch daran, dass bei der Hochzeit eines Offiziers 20 Handys gestohlen wurden. Vielleicht kamen die Videos auf diesem Weg an die Öffentlichkeit“, spekuliert der ägyptische Blogger Wael Abbas süffisant in einem Interview mit der unabhängigen ägyptischen Tageszeitung Masri al-Youm. Auf seiner Webseite misrdigital.com finden sich die meisten der Foltervideos und selbst Fotos der mutmaßlichen Folterknechte. „Natürlich hatte keiner der Offiziere geahnt, welchen Wirbel die Videos auslösen werden. Sie haben die Videos wahrscheinlich einfach nur aus einem krankhaften Unterhaltungsbedürfnis aufgezeichnet oder weil sie die Opfer damit weiter einschüchtern wollten“, meint er.

Den lokalen und internationalen Menschenrechtsgruppen dienen sie jedenfalls als Beweismittel für ihren langjährigen Vorwurf, dass in ägyptischen Polizeistationen systematisch gefoltert wird. Immerhin drei Offiziere wurden inzwischen vom Dienst suspendiert. Im Fall al-Kabirs müssen sich zwei von ihnen, Islam Nabih und Reda Fathi, im März vor Gericht verantworten – zwei Monate nachdem ihr Opfer bereits verurteilt und eingesperrt wurde.

Für den Blogger Wael Abbas zeigt die Verurteilung des Folteropfer al-Kabir und die Festnahme der Journalistin Matawalli vor allem eines: „Im ägyptischen Innenministerium herrscht Panik und nun versuchen sie mit allen Mitteln, den Deckel draufzuhalten“. KARIM EL-GAWHARY

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen