: Kein Flächenbrand
NAHER OSTEN Die Auseinandersetzungen können nicht als ein Großkonflikt betrachtet werden
BERLIN taz | Libyen, Jemen, Syrien, Irak und jetzt auch noch Israel/Gaza: Ist das der „Flächenbrand“, den einige Medien seit Jahrzehnten herbeischreiben? Nein. Der Begriff suggeriert, dass es sich mehr oder weniger um einen einzigen großen Regionalkonflikt handelt, anstatt die einzelnen Konflikte in ihrer Differenziertheit wahrzunehmen.
Zum Beispiel Syrien: Hier begann der heutige Bürgerkrieg mit friedlichen Protesten gegen die Diktatur von Präsident Baschar al-Assad, der seine Soldaten gegen die Demonstranten einsetzte.
Demgegenüber stellt sich die Lage im Irak als eine Spätfolge der US-Intervention von 2003 dar. Hier geht es um einen ungelösten sunnitisch-schiitischen Konflikt, auch aufgrund einer verfehlten Politik der Regierung, und dem Streben der Kurden nach Unabhängigkeit. In beiden Ländern steht der Iran aufseiten der Regierung, und in beiden ist die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) aktiv und kontrolliert inzwischen ein Gebiet vom Nordosten Syriens bis zum Nordwesten des Irak.
Alle diese Faktoren treffen auf Israel nicht zu. Der Israel/Gaza-Konflikt ist weder eine Folge des Bürgerkriegs in Syrien noch des Vormarschs der Terroristen im Irak. Auch wenn die Entwicklung seit den Morden an drei israelischen und einem palästinensischen Jugendlichen Anlass der jetzigen Eskalation zu sein scheint, liegen die eigentlichen Ursachen tiefer: im Konflikt zwischen der Regierung in Jerusalem und der islamistischen Hamas, die den Gazastreifen seit 2007 kontrolliert. Entsprechend lehnt die israelische Regierung die Einigung von Fatah und Hamas auf eine Technokratenregierung am 24. April ab. Die jetzige Runde wechselseitigen Beschusses begann am 11. Juni, einen Tag vor der Entführung der Teenager, als Israels Luftwaffe als Vergeltung für einen Raketenangriff aus dem Gazastreifen gezielt einen Salafistenführer tötete.
Und Hisbollah? Die schiitische libanesische Organisation hat anderes zu tun, als einen Krieg an Israels Nordgrenze anzuzetteln. Aktuell versuchen Kämpfer der Hisbollah gerade gemeinsam mit der syrischen Armee, den Ring um Aleppo im Norden des Landes enger zu ziehen. B.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen