kohle: Eskalation nach Schema F
Unter Tage wird es alle zehn Jahre ernst. 1987 verdammte FDP-Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann in einem Interview Kohle und Stahl: „Wir werden diese Industriezweige nicht am Leben halten können.“ Die damals noch 160.000 Kohlekumpel rebellierten, der Minister dementierte – gekürzt wurde dennoch bei den Subventionen. 1997 protestierten Zehntausende Bergarbeiter in Bonn gegen die Regierung Kohl, die bei den Beihilfen trotzdem weiter sparte. Und 2007? Im Machtkampf um das definitive Ende der deutschen Steinkohle läuft die Eskalationsspirale nach Schema F.
KOMMENTAR VON MARTIN TEIGELER
Nachdem die SPD-Chefs Kurt Beck, Franz Müntefering und Hannelore Kraft den Sockelbergbau beim Landesparteitag am vergangenen Wochenende beinahe zum Grundwert der deutschen Sozialdemokratie erklärt hatten, reagiert die schwarz-gelbe Landesregierung nun so, wie sie in diesem politischen Machtspiel vermutlich reagieren muss: mit einer neuen wohldosierten Eskalationsstufe.
Die gezielt gestreute Drohung, ab dem Jahr 2009 alle Zahlungen für die verbliebenen Zechen an Rhein und Ruhr einzustellen, ist dennoch ein Novum in der NRW-Landesgeschichte. Nie zuvor hat eine Düsseldorfer Regierungskoalition so kühl mit den Ängsten und Zukunftsplänen der verbliebenen 30.000 Bergleute gezockt – auch wenn Schwarz-Gelb wohl in erster Linie den Sozialdemokraten einen politischen Kompromiss pro Ausstieg im Jahr 2018 abpressen will.
Sicher ist, dass es in diesem Spiel einen Verlierer geben wird: Für die CDU/FDP-Regierung von Jürgen Rüttgers wäre ein Sockelbergbau eine schwere – auch symbolische – Niederlage. Die neue SPD-Chefin Kraft kann sich ebenfalls keinen Fehlstart mit einem Ja zum Kohleausstieg leisten. Derzeit sieht die RAG wie ein designierter Loser aus. Setzt sich die politische Eskalation auch nach dem Berliner Kohlegipfel fort, müssen die Anleger wohl länger auf den Börsengang des Konzerns warten. Es muss ja nicht zehn Jahre dauern.
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